Rz. 173

Bei bestimmten Straftaten der Schwerkriminalität ermöglicht § 112 Abs. 3 StPO die Anordnung von Untersuchungshaft, auch wenn an sich kein Haftgrund nach Abs. 2 vorliegt. § 112 Abs. 3 StPO ist aber verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Erlass des Haftbefehls nur dann verhältnismäßig ist, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat des besonders gefährlichen Täters gefährdet sein könnten. Dabei reicht schon die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht-, Verdunkelungs- oder die ernstlich befürchtete Wiederholungsgefahr aus.

 

Rz. 174

Trotz dieser Einschränkung wird in der Praxis oftmals vom dringenden Verdacht einer besonders schweren Tat auf das Vorliegen des Haftgrundes nach Abs. 3 geschlossen, ohne die Haftgründe des Abs. 2 überhaupt anzusprechen. Die Annahme einer Gefahr i.S.d. § 112 Abs. 2 StPO ist aber vom Gericht zu begründen. Sind also in dem konkreten Einzelfall keine Umstände ersichtlich, welche die Gefahr begründen, dass ohne die Verhaftung des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat in Frage gestellt sein könnte, kann ein Haftbefehl auf Grundlage des § 112 Abs. 3 StPO selbst bei Annahme eines versuchten Totschlags nicht aufrechterhalten werden.[81]

[81] Vgl. OLG Köln StV 1994, 584; OLG Köln NJW 1996, 1686; Beck-OK StPO/Kraus, § 112 Rn 40; Meyer-Goßner/Schmitt, § 112 StPO Rn 38.

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