Rz. 169

Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr besteht, wenn das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und damit die Ermittlung der Wahrheit erschwert werden wird. Für die Annahme der Verdunkelungsgefahr genügt allein die lediglich erweisliche Gelegenheit zu Verdunkelungshandlungen nicht. Vielmehr müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, welche die hohe Wahrscheinlichkeit begründen, dass der Beschuldigte die ihm gebotene Gelegenheit auch wahrnehmen wird.[80]

 

Rz. 170

Für die Annahme von Verdunkelungsgefahr reicht allein nicht aus, dass

noch umfangreiche Ermittlungen erforderlich sind;
Mittäter noch flüchtig sind;
wichtige Zeugen noch nicht aufgefunden oder vernommen worden sind;
der Beschuldigte die Aussage verweigert oder die Tat bestreitet;
der Beschuldigte sein Geständnis widerruft;
der Beschuldigte sich weigert, Mittäter zu nennen oder sich einer Blutentnahme zu unterziehen;
der Beschuldigte versucht, auf Beweispersonen einzuwirken, sofern dieses Verhalten nicht prozessordnungswidrig und anstößig ist, z.B. das Suchen von Entlastungszeugen oder das Ersuchen an einen Zeugen, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, ohne dabei in unerlaubter Weise physischen oder psychischen Druck auszuüben;
Drogen bei einer Polizeikontrolle weggeworfen werden;
zu befürchten ist, dass der Beschuldigte mit noch unbekannten Auftraggebern und Abnehmern von Betäubungsmitteln Absprachen treffen könnte;
umfangreiche Korruptionsvorwürfe gegen den Beschuldigten bestehen.

Zu beachten ist, dass obwohl die Frage nach einer möglichen Kaution im Rahmen der Verdunklungsgefahr nicht ausdrücklich geregelt ist, diese nach Verhältnismäßigkeitserwägungen geboten sein kann.

 

Rz. 171

Problematisch sind die Fälle, in denen

der Beschuldigte nachweislich in früheren Strafsachen bereits Verdunkelungshandlungen vorbereitet, versucht oder begangen hat;
dem Beschuldigten Delikte vorgeworfen werden, die ihrer Natur nach auf Irreführung angelegt sind;
die gesamte Lebensführung des Beschuldigten nach dem Anschein auf Drohung, Täuschung und Gewalt abgestellt ist, was sich auch aus den Umständen der verfolgten Tat ergeben kann.
 

Rz. 172

Nach Abschluss der Ermittlungen und Erhebung der öffentlichen Klage ist die Verdunkelungsgefahr nicht ohne Weiteres auszuschließen. In der Regel muss aber ein Haftbefehl, der ausschließlich auf Verdunkelungsgefahr begründet ist, aufgehoben werden, wenn das Verfahren im letzten Tatsachenrechtszug abgeschlossen ist.

[80] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 112 StPO Rn 26 ff.; Beck-OK StPO/Kraus, § 112 Rn 33.

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