(1) Typischer Sachverhalt

 

Rz. 409

Herr A wird unter Freispruch vom Vorwurf des Raubes wegen dreifachen Erwerbs von jeweils 3 g Haschisch zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Das Urteil stützte sich maßgeblich auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung, die bei dem Verkäufer des Haschischs geschaltet war. Der Verteidiger hatte der Verwertung der Ergebnisse aus der Telefonüberwachung widersprochen. Das Gericht hat die Verwertung für zulässig erachtet und die Verlesung der Protokolle durch Gerichtsbeschluss angeordnet.

(2) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 410

Bei Vorliegen eines relativen Revisionsgrundes muss das Urteil gem. § 337 Abs. 1 StPO auf einer Verletzung des Gesetzes beruhen, d.h. bei Verfahrensfehlern kommt es darauf an, ob im Einzelfall ein rechtsfehlerfreies Verfahren möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.[211] Dieser ursächliche Zusammenhang zwischen Verfahrensfehler und Urteil muss aber nicht erwiesen sein. Es gilt als ausreichend, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass das Urteil auf dem Fehler beruht. Das Ausreichen einer bloßen Möglichkeit ist vor allem bei Verfahrensrügen wichtig, denn der Einfluss von prozessualen Fehlern auf das Urteil lässt sich meistens nicht positiv feststellen, aber auch nicht direkt verneinen. Daraus ergibt sich auch die sog. Aufklärungsrüge, mit der beanstandet wird, dass der Tatrichter seiner Verpflichtung zur vollständigen Wahrheitserforschung nach § 244 Abs. 2 StPO nicht nachgekommen sei, indem er von sich aufdrängenden weiteren Beweismitteln keinen Gebrauch gemacht habe und deshalb zu einem möglicherweise falschen Beweisergebnis gelangt sei.[212]

 

Rz. 411

Die in Urteilen häufige formelhafte Wendung "Diese Feststellungen beruhen auf den Aussagen der Zeugen … und des Sachverständigen … und den verlesenen Urkunden" bedeutet nach BGH nur, dass sich die Beweisaufnahme auf diese Beweismittel erstreckt hat, nicht aber, dass sie auch Bedeutung für die Entscheidung haben.[213] Es ist aber nicht die Aufgabe des Revisionsführers, das Beruhen des Urteils nachzuweisen, denn dies ist von Amts wegen zu prüfen. Hat er den Nachweis für die Gesetzesverletzung geführt, ist das Beruhen schon dann anzunehmen, wenn es nicht offensichtlich auszuschließen ist. In Zweifelsfällen sollte der Verteidiger allerdings darlegen, warum ein solcher Ausnahmefall gerade nicht vorliegt.

[211] Zu Heilungsmöglichkeiten vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 337 StPO Rn 39.
[212] Zu den Anforderungen an eine Aufklärungsrüge vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 StPO Rn 80 ff.
[213] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 337 StPO Rn 38.

(3) Muster: Revisionsbegründung

 

Rz. 412

Muster 41.63: Revisionsbegründung (Relative Revisionsgründe)

 

Muster 41.63: Revisionsbegründung (Relative Revisionsgründe)

An das Landgericht _____

Az. _____

In der Strafsache gegen _____ wegen _____

gebe ich zu der mit Schriftsatz vom _____ gegen das Urteil des Landgerichtes vom _____, zugestellt am _____, eingelegten Revision die nachfolgende

Revisionsbegründung

ab und

stelle den Antrag,

das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und den Angeklagten freizusprechen. Fürsorglich wird beantragt, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Begründung:

1. Verfahrensrüge

Gerügt wird die Verwertung von Telefonüberwachungsprotokollen.

Zu den Verfahrenstatsachen:

_____ (Darstellen der Beweisaufnahme, TÜ-Verlesung, Widerspruch, Beschluss etc.) Damit hat das Gericht gegen ein Verwertungsverbot gem. § 100a StPO verstoßen, da Ergebnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen nur gegen den verwertet werden dürfen, gegen den der Verdacht des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bestand. Sie dürfen nicht gegen den bloßen Erwerber verwertet werden, der bei Gelegenheit der Überwachungsmaßnahmen bekannt wird, selbst aber keiner Katalogtat schuldig ist.

Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil, da sich der Angeklagte zur Sache nicht eingelassen hatte. Ohne Verwertung der Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung gab es keine Grundlage für einen Schuldspruch. Der Angeklagte hätte freigesprochen werden müssen.

2. Sachrüge

Die Sachrüge wird in allgemeiner Form erhoben. Weitere Ausführungen bleiben vorbehalten.

(Rechtsanwalt)

(4) Anmerkungen zum Muster

 

Rz. 413

Zu 1. Verfahrensrüge, Widerspruch: Weitergehend zur Widerspruchslösung des BGH vgl. Peter, 1x1 der Hauptverhandlung, S. 269 ff.

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