aa) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 302

Nach § 238 Abs. 1 StPO kommt dem Vorsitzenden die Leitung der Verhandlung zu, es sei denn, das Gesetz hat bestimmte, wichtige Entscheidungen dem Gericht als Ganzes übertragen. Hält nun der Verteidiger eine getroffene Maßnahme für unzulässig, kann er eine Entscheidung des Gerichts verlangen, § 238 Abs. 2 StPO. Dies bedeutet in der Praxis, dass sich das Gericht zur Beratung zurückziehen muss; tut es das nicht, sondern fällt es seine Entscheidung unverzüglich "durch den Vorsitzenden", sollte der Verteidiger ruhig einen entsprechenden Hinweis geben.

Im Zweifel kann jede Anordnung des Vorsitzenden angegriffen werden, bei der es nicht offensichtlich an einer Beschwer für den Angeklagten fehlt.[142] Allerdings sollte der Verteidiger bedenken, dass der Grund für die Überprüfung der Zweifel an der Zulässigkeit der Maßnahme sein muss, so dass der Verteidiger nicht auch bloß unzweckmäßige oder ungeschickte Entscheidungen mit § 238 Abs. 2 StPO bekämpfen kann. § 238 Abs. 2 StPO findet auch auf den Amtsrichter Anwendung, obwohl hier Vorsitzender und Gericht personenidentisch sind. Der Amtsrichter muss dann eben erneut, nun aber im Beschlusswege, entscheiden.

 

Rz. 303

Führt die Gerichtsentscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO nicht zur Aufhebung der Entscheidung, ist die Rechtsbehelfsmöglichkeit vorerst erschöpft, denn eine Beschwerde ist ausgeschlossen. Dies gilt aber nicht, wenn die Entscheidung eine zusätzliche Beschwer enthält oder dritte Personen betrifft, weil dann die Ausnahme nach § 305 S. 2 StPO eingreift. Die Revision, sowohl über § 338 Nr. 8 StPO als auch über § 337 StPO, setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass ein Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 StPO ergangen ist. Eine unzulässige Sachleitungsmaßnahme, die nicht geprüft worden ist, kann demnach prinzipiell nicht mit der Revision angegriffen werden.[143] Die Verteidigung sollte daher im Zweifel immer einen Beschluss nach § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen, um für die Revision gewappnet zu sein.

[142] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 238 StPO Rn 13; Brüssow u.a./Gatzweiler/Mehle, Strafverteidigung in der Praxis, § 9 Rn 389 ff.
[143] Vgl. BGHSt 1, 322, 325; BGHSt 3, 368; BGHSt 4, 364, 366 und Karlsruher Kommentar-Schneider, § 238 Rn 21 ff., 25 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 238 StPO Rn 22 – aber auch die h.M. lässt Ausnahmen zu, wenn etwa der Angeklagte ohne Verteidiger ist und das Überprüfungsrecht nach § 238 Abs. 2 StPO nicht kennt, OLG Koblenz StV 1992, 263, oder wenn der Vorsitzende eine von Amts wegen vorzunehmende Handlung unterlässt, BGHSt 38, 260, 261; auch beim Einzelrichter, OLG Düsseldorf StV 1996, 252; a.A. Löwe/Rosenberg-Becker, § 238 StPO Rn 43 ff., 47.

bb) Muster: Antrag auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 238 Abs. 2 StPO

 

Rz. 304

Muster 41.42: Antrag auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 238 Abs. 2 StPO

 

Muster 41.42: Antrag auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 238 Abs. 2 StPO

An das Amtsgericht _____

Az. _____

In der Strafsache gegen _____ wegen _____

stelle ich namens meines Mandanten folgenden Antrag:

Das Gericht möge eine Entscheidung darüber herbeiführen, ob _____ (Darstellen der Sachleitungsmaßnahme) zulässig gewesen ist.

Begründung:

_____ (Darstellen des Sachverhalts sowie Ausführungen zur Unzulässigkeit der Sachleitungsmaßnahme.)

(Rechtsanwalt)

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