Rz. 206

Gemäß §§ 304 Abs. 1, 117 Abs. 2 S. 2 StPO ist die – nicht fristgebundene – Haftbeschwerde[93] insbesondere gegen die Entscheidung möglich, die auf eine Haftprüfung oder einen Antrag auf Aufhebung bzw. Außervollzugsetzung des Haftbefehls im schriftlichen Verfahren hin erfolgt ist. Maßgeblich ist immer die zuletzt ergangene Entscheidung, mit der über den (Fort-)Bestand eines Haftbefehls entschieden wurde und die damit die Grundlage bildet, den Beschuldigten in Haft zu nehmen bzw. zu halten.

 

Rz. 207

Beschwerdeberechtigt sind der Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und sein Verteidiger. Ziel der Beschwerde können die Aufhebung des Haftbefehls, seine Außervollzugsetzung, aber auch die Ausscheidung einzelner Haftgründe oder Tatvorwürfe sein. In der Regel ergeht die Entscheidung nach Aktenlage, sie kann aber auch aufgrund einer mündlichen Haftprüfung getroffen werden. Gemäß § 117 Abs. 2 StPO ist die Beschwerde neben dem Antrag auf Haftprüfung unzulässig. Das Recht der Beschwerde gegen die Entscheidung, die auf den Antrag hin ergeht, wird dadurch nicht berührt. Auf die Reihenfolge der Stellung der Anträge kommt es nicht an. Um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, sollte der Verteidiger darauf achten, dass sein Mandant die Zulässigkeit der Haftbeschwerde nicht durch einen weiteren, eigenen Haftprüfungsantrag beseitigt. Die Haftbeschwerde lebt nach erfolgter Haftprüfung oder durch Rücknahme des Haftprüfungsantrages nicht wieder auf. Sie ist in jedem Fall neu zu stellen.

 

Rz. 208

Hilft das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen ist, der Beschwerde nicht ab, ist die Beschwerde gem. § 306 Abs. 2 Hs. 2 StPO dem Beschwerdegericht innerhalb von drei Tagen vorzulegen.[94] Das Beschwerdegericht hat eine eigene Sachentscheidungsbefugnis. Es kann daher auch einen anderen Haftgrund annehmen oder eine Verletzung der Formvorschrift des § 114 StPO heilen. Ob im Haftbeschwerdeverfahren das Schlechterstellungsverbot gilt, ist umstritten.[95]

Eine Beschwerdebegründung ist zwar grundsätzlich nicht vorgeschrieben, aber zu empfehlen, um dem Beschwerdegericht aufzuzeigen, wo tatsächliche Lücken zu schließen oder Rechtsfehler zu beseitigen sind.

[93] Ausführlich zur Haftbeschwerde: Breyer/Endler-Seebode, AnwaltFormulare Strafrecht, Kap. 3 Rn 166 ff.
[94] Ist inzwischen Anklage erhoben worden, wird eine dem Beschwerdegericht vorliegende Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag gem. § 117 Abs. 1 StPO umgedeutet und an das für die Eröffnung zuständige Gericht zurückgegeben. Damit sollen widersprüchliche Entscheidungen vermieden werden, vgl. OLG Karlsruhe StV 1994, 664 f. Gegen die dann erfolgte Entscheidung ist die Beschwerde zum OLG zulässig.
[95] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, Vor § 304 StPO Rn 5.

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