a) Typischer Sachverhalt

 

Rz. 239

Rechtsanwalt R hat jeweils für Herrn A und Herrn B in verschiedenen Verfahren das Mandat übernommen. Beide befinden sich in Untersuchungshaft. Während Herr A sich in seiner Einzelzelle langweilt, muss sich Herr B den ganzen Tag mit seinem lautstarken Zellengenossen Z herumärgern. Herr A bittet seinen Rechtsanwalt, sich darum zu kümmern, dass er so schnell wie möglich mit einem anderen Insassen untergebracht wird. Herr B möchte dringend in eine Einzelzelle.

b) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 240

Der Vollzug der Untersuchungshaft basiert auf dem Grundsatz der Einzelhaft, vgl. etwa § 8 JVollzGB II BW. Der sog. Trennungsgrundsatz kann durch Antrag bzw. mit Zustimmung des Inhaftierten aufgehoben werden, wobei sich eine Einschränkung aus dem nach Haftzwecken differenzierten Vollzug ergeben kann. Demnach ist eine Trennung anzuordnen, um einen Kontakt zwischen Gefangenen, die wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr inhaftiert sind, und Kollisionsverdächtigen von vornherein zu verhindern. In der Praxis ist die Einzelunterbringung allerdings die Ausnahme, da die steigende Tendenz von Untersuchungshaftanordnungen in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Justizvollzugsanstalten in der Regel völlig überfüllt sind. Deshalb fällt es daher oftmals nicht leicht, dem Mandanten die Einzelhaft zu ermöglichen.

c) Muster: Antrag auf Unterbringung in einer Einzelzelle

 

Rz. 241

Muster 41.34: Antrag auf Unterbringung in einer Einzelzelle

 

Muster 41.34: Antrag auf Unterbringung in einer Einzelzelle

An das Amtsgericht _____

Az. _____

In der Strafsache/Haftsache gegen _____ wegen _____

wird beantragt, anzuordnen, dass _____ unverzüglich in einer Einzelzelle unterzubringen ist.

Begründung:

_____ ist zurzeit mit zwei anderen Gefangenen in einer Zelle untergebracht. Dies entspricht nicht dem für die Untersuchungshaft gem. § 8 JVollzGB II BW geltenden Trennungsprinzip. Demnach darf der Verhaftete ohne seine Zustimmung nicht mit anderen Gefangenen in demselben Raum untergebracht werden, sofern keine Ausnahmetatbestände vorliegen.

Da der Zustand von _____ keine Unterbringung gemeinsam mit anderen Gefangenen erfordert, hat er einen Anspruch auf Einzelunterbringung. Dies soll bis auf weiteres aber laut Anstalt nicht möglich sein.

Der Grundsatz der Einzelhaft der Untersuchungsgefangenen ist Ausfluss der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK und als Vorzug und Anspruch des Untersuchungsgefangenen garantiert. Dieses Prinzip darf nicht daran scheitern, dass die Justizvollzugsanstalten wegen Überbelegung die Durchsetzung des Anspruchs aus § 8 JVollzGB II BW nicht gewährleisten können. Es ist Aufgabe des Staates, für gesetzesmäßige Untersuchungshaftbedingungen Sorge zu tragen. Ist dies nicht möglich, dürfen die daraus resultierenden gesetzeswidrigen Nachteile nicht dem Untersuchungsgefangenen aufgebürdet werden.

Sollte es also nicht möglich sein, _____ den gesetzlich garantierten Anspruch auf Einzelhaft zu erfüllen, mache ich darauf aufmerksam, dass der weitere Vollzug der Untersuchungshaft gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK und § 119 Abs. 1 S. 1 StPO verstößt. _____ ist eine Untersuchungshaft unter rechtswidrigen Bedingungen nicht zuzumuten.

(Rechtsanwalt)

d) Muster: Antrag auf Unterbringung mit anderen Gefangenen

 

Rz. 242

Muster 41.35: Antrag auf Unterbringung mit anderen Gefangenen

 

Muster 41.35: Antrag auf Unterbringung mit anderen Gefangenen

An das Amtsgericht_____

Az. _____

In der Strafsache/Haftsache gegen _____ wegen _____

stelle ich im Namen meines Mandanten den Antrag, _____ mit anderen Untersuchungsgefangenen in einem Raum unterzubringen. Es ist ausdrücklicher Wunsch meines Mandanten, während der Untersuchungshaft nicht mehr allein in einem Raum zu verbleiben.

Begründung:

In der Person von _____ sind keine Ablehnungsgründe nach § 8 JVollzGB II BW ersichtlich. Insbesondere hat das Gericht die Unterbringung mit anderen nicht nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 StPO ausgeschlossen.

(Rechtsanwalt)

e) Anmerkungen zum Muster

 

Rz. 243

Die Zuständigkeit für den Antrag richtet sich nach § 119 Abs. 6 i.V.m. § 126 StPO.

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