Rz. 214

Grundsätzlich können Entscheidungen des Beschwerdegerichts gem. § 310 Abs. 2 StPO nicht weiter angefochten werden. Eine wesentliche Ausnahme aber gilt für Haftsachen gem. § 310 Abs. 1 StPO. Sofern Beschlüsse des Landgerichts Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung oder einen Vermögensarrest über einen Betrag von mehr als 20.000 EUR betreffen, können sie durch die weitere Beschwerde angefochten werden.[96] Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass für den in U-Haft oder Unterbringung befindlichen Beschuldigten die Unschuldsvermutung gilt und er durch die Freiheitsentziehung unmittelbar in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG beeinträchtigt ist, ohne dass gegen ihn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Daraus ergibt sich ein höheres Maß an Prüfungserfordernissen zur Zulässigkeit von Haft- und Unterbringungsanordnungen, so dass vor diesem Hintergrund eine weitere Beschwerde in § 310 Abs. 1 StPO zu den Oberlandesgerichten eröffnet ist.

 

Rz. 215

Unter den Begriff des "die Verhaftung betreffenden Beschlusses" i.S.d. § 310 Abs. 1 StPO fällt nur die Entscheidung, mit der zuletzt über den (Fort-)Bestand eines Haftbefehls entschieden wurde. Betraf die letzte Entscheidung in der Haftsache nicht den Bestand des Haftbefehls, so ist diese für die Haftbeschwerde nicht maßgeblich.

 

Rz. 216

Unter den Oberlandesgerichten ist umstritten, ob die weitere Beschwerde gegen den Bestand eines Haftbefehls auch dann zulässig ist, wenn nur dessen Vollzug ausgesetzt, aber nicht aufgehoben wurde. Für die Zulässigkeit spricht, dass auch ein nicht vollzogener Haftbefehl erhebliche Beeinträchtigungen der Persönlichkeits- und Freiheitsrechte mit sich bringt, etwa durch Auflagen nach § 116 StPO und die andauernde Möglichkeit, erneut inhaftiert werden zu können. Dies gilt auch für die bloße Existenz eines Haftbefehls, ohne dass besonders beschwerende Haftverschonungsauflagen gemacht sind. Schließlich steht der Beschuldigte auch nach Außervollzugsetzung unter dem Druck, dass gegen ihn die Untersuchungshaft angeordnet ist. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt somit auch für lediglich außer Vollzug gesetzte Haftbefehle.[97]

[96] Ausführlich Breyer/Endler-Seebode, AnwaltFormulare Strafrecht, Kap. 3 Rn 185 ff.
[97] Vgl. BVerfG StV 1996, 156; Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn 7; Pfeiffer, § 310 StPO Rn 4; Übersicht bei SK-StPO/Paeffgen, § 116 Rn 23; Schlothauer/Wieder/Nobis, Untersuchungshaft, Rn 833.

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