Rz. 10

Wie bei nahezu allen Versicherungsverträgen werden auch in der Wohngebäudeversicherung der Versicherungsumfang und die wechselseitigen Vertragspflichten weitgehend durch die AVB bestimmt. Maßgebend ist die bei Vertragsabschluss oder ggf. einer etwaigen nachträglichen Änderung des Vertrages zugrunde gelegte Bedingungsfassung.

Grundlage vieler älterer Wohngebäudeversicherungsverträge sind die "Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden" aus dem Jahre 1962 (VGB 62). Im Jahre 1988 wurden diese Versicherungsbedingungen grundlegend überarbeitet. Anschließend erfolgte der Abschluss von Wohngebäudeversicherungsverträgen auf der Grundlage der "Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen 1988" (VGB 88). Auf diese Bedingungen folgten die VGB 2000, an deren Stelle dann die VGB 2008 getreten sind. Letztere berücksichtigen insbesondere die veränderten gesetzlichen Regelungen nach der Reform des VVG. Die VGB 2008 wurden 2010 erneut überarbeitet und angepasst. Diese veränderten Bedingungen sind im Anhang als VGB 2010 in der Version vom 1.1.2013 abgedruckt (siehe Rdn 202).

 

Rz. 11

Die VGB 88 unterscheiden sich von den VGB 62 zunächst durch einen anderen Aufbau, der sich insbesondere an die im Jahre 1984 überarbeiteten Allgemeinen Bedingungen für die Hausratversicherung angleicht. Darüber hinaus enthalten die VGB 88 diverse redaktionelle Überarbeitungen, die die in der Zwischenzeit ergangene Rechtsprechung berücksichtigen. Nach der Deregulierung des europäischen Versicherungsmarktes erarbeitete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weitere Überarbeitungen der VGB 88, von denen die im Januar 1995 veröffentlichte Version (auch genannt: Version 1994) den derzeit größten Verbreitungsgrad besitzt. Die VGB 2010 sind vollständig neu gefasst und gliedern die Bedingungen in zwei Abschnitte (A und B). Letzteres erschwert die Übersichtlichkeit, da die Paragrafen nicht durchgehend nummeriert sind, sondern in beiden Abschnitten jeweils von vorne beginnen.

 

Rz. 12

Ende 2001 verabschiedete der GDV mit den VGB 2000[4] zwei grundlegend überarbeitete Musterbedingungen für die Wohngebäudeversicherung. Im Vergleich zu den VGB 88 zeichnen sich die neuen Bedingungswerke u.a. durch eine klarere, detailliertere und verständlichere Gliederung aus, die ein Auffinden der gesuchten Bestimmungen erleichtert. Typische Auslegungsfragen im ­Zusammenhang mit den VGB 88, die regelmäßig Gegenstand außergerichtlicher oder gerichtlicher Auseinandersetzungen waren, wurden klarstellend in die VGB 2000 eingebaut.[5] In § 4 VGB 2000 wird der Kreis der versicherten Gefahren um sog. Implosionen erweitert. Dem besseren Verständnis der Bedingungen dient es auch, dass primäre und sekundäre Risikobegrenzungen sachgerecht und nach versicherten Gefahren geordnet zusammengefasst wurden.[6] Das Risiko Rohrbruch und Frost erfasst nun auch Schäden an Klima-, Wärmepumpen- und Solarheizungsanlagen. Wird in den VGB 88 noch häufig auf gesetzliche Regelungen verwiesen,[7] zeichnen sich die VGB 2000 durch eine erläuternde und klarstellende Wiedergabe des Gesetzestextes aus. Die VGB 2000 enthalten ­jedoch nicht nur Änderungen zugunsten des Versicherungsnehmers. Vielmehr wurde auch der ­Versuch unternommen, die Rechtsposition des Versicherers in den Bedingungen zu verbessern. Zu verweisen ist beispielsweise auf die Erweiterung der Tatbestände der obligatorischen Gefahrerhöhungen nach Antragstellung in § 23 VGB 2000.[8] Darüber hinaus stellt § 24 VGB 2000 nur noch auf die objektive Verletzung einer der dort genannten Sicherheitsvorschriften ab, während § 11 VGB 88 ausdrücklich ein dahingehendes Fehlverhalten des Versicherungsnehmers voraussetzt.[9] Außerdem enthält § 36 VGB 2000 erstmals eine Bedingungsanpassungsklausel. Danach ist der Versicherer unter den dort genannten Voraussetzungen dazu berechtigt, die dem Vertrag ­zugrunde liegenden Bedingungen abzuändern, solange dies nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers geht (Verschlechterungsverbot).

Die genannten Bedingungswerke sind mit der VVG-Reform 2008 nicht konform. Der Gesetzgeber hat den Versicherungsunternehmen deshalb in Art. 1 Abs. 3 EGVVG das Recht eingeräumt, mit dem neuen Recht nicht mehr übereinstimmende Klauseln in den AVB von Altverträgen mit Wirkung zum 1.1.2009 an das geänderte Gesetz anzupassen. Dieses Recht bestand allerdings nur bis zum 1.1.2009, kann also seither nicht mehr ausgeübt werden. Haben die Versicherer hiervon Gebrauch gemacht, ersetzen die geänderten Klauseln vom 1.1.2009 an die bisherige Klauselfassung. Voraussetzung ist die Kenntlichmachung der Unterschiede und der Zugang der Mitteilung spätestens einen Monat vor dem 1.1.2009. Um dem Gesetz zu genügen, muss die Mitteilung am oder vor dem 30.11.2008 zugegangen sein. Die Zustimmung der Versicherungsnehmer ist nicht erforderlich, ebenso wenig die Mitwirkung eines Treuhänders.

Eine vollständige Ersetzung der bisherigen VGB durch die VGB 2008 bzw. 2010 erla...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge