Rz. 133

Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die entsprechende letztwillige Verfügung folgende Elemente enthalten sollte:

(1) Einsetzung des Behinderten auf mindestens ein Prozent mehr als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nach beiden Eltern;[161]
(2) Einsetzung als nicht befreiter Vorerbe;
(3) Einsetzung eines Testamentsvollstreckers mit der Verwaltungsanordnung, insbesondere aus dem Ertrag der Vorerbschaft Leistungen über den Lebensunterhalt zu erbringen (Reisen, Taschengeld, Zuwendungen zu Festtagen);
(4) Einsetzung eines Nach- und ggf. Ersatznacherben, damit bei Wegfall nicht die Vollerbenstellung des Vorerben eintritt.
 

Rz. 134

 

Praxishinweis

Wie wichtig die Einsetzung als Erbe auch des zuerst sterbenden Elternteils ist, zeigt der BGH im Jahr 2005, als er klarstellt, dass beim Berliner Testament der Sozialversicherungsträger den Pflichtteil auch dann nach dem ersten Erbgang geltend machen kann, wenn im Testament eine Pflichtteilsstrafklausel enthalten ist. Nach Auffassung des BGH bleibt der Behinderte auch (Mit-)Erbe nach dem Tod des zweiten Elternteils, wenn der Pflichtteil nach § 93 SGB XII übergeleitet und geltend gemacht wurde.[162] Eine Weigerung des Betreuers, den Pflichtteil geltend zu machen, ist unbeachtlich.

 

Rz. 135

Den verbreiteten Vorschlägen, mit (Quoten-)Vermächtnissen der Bindung des Nacherbenvermögens in Erbengemeinschaften zu entgehen, wird zu Recht mit Skepsis begegnet.[163] Insbesondere die zivilrechtliche Haftung des (Nach-)Vermächtnisnehmers des Behinderten nach dessen Tod und die noch nicht geklärte Frage der Haftung des Nachlassgegenstandes nach § 102 SGB XII sprechen gegen Vermächtnislösungen und für die Vorerbschaft als eingeführtes und von der BGH-Rechtsprechung anerkanntes Modell.

 

Rz. 136

Hinsichtlich der Person des Testamentsvollstreckers sollte beachtet werden, dass keine Identität mit dem gerichtlich eingesetzten Betreuer besteht, da sonst durch die Notwendigkeit der Kontrolle über den Testamentsvollstrecker i.d.R. ein Dauerzusatzbetreuer eingesetzt wird.[164]

[161] Mit der Streichung des entsprechenden Passus in § 2306 Abs. 1 BGB zum 1.1.2010 entfiel diese Notwendigkeit. Der Erbteil sollte dennoch deutlich über dem Pflichtteil, am besten in Höhe des gesetzlichen Erbteils, liegen, um einen Betreuer nicht in die Lage zu bringen, zum Wohle des Behinderten die Erbschaft auszuschlagen bzw. ausschlagen zu müssen.
[162] BGH ZEV 2005, 117; bestätigt von BGH FamRZ 2006, 94.
[163] Joussen, NJW 2003, 1851, 1853; van de Loo, ZEV 2009, 478.
[164] Hartmann, ZEV 2001, 89, 91.

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