Rz. 74

F verlangt von ihrem Ehemann M – nach erfolgter Scheidung bzw. im Rahmen des Scheidungsverfahrens – nachehelichen Unterhalt und Kindesunterhalt für die gemeinsamen Kinder K1, das 7 Jahre alt ist, und K2, das 3 Jahre alt ist. Beide Kinder werden von F betreut. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 3.100 EUR. F hat kein Einkommen. Wegen der Betreuung der Kinder ist sie nicht berufstätig.

I. Kindesunterhalt

 

Rz. 75

Ist neben Kindern auch ein Ehegatte unterhaltsberechtigt, so ist zunächst der Kindesunterhalt zu errechnen. In einem zweiten Schritt ist der Ehegattenunterhalt zu berechnen, wobei dann in einem ersten Schritt der Kindesunterhalt vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen ist – soweit der Kindesunterhalt die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat (zum Fall eines nachehelich geborenen Kindes vgl. Fall 37, siehe § 10 Rdn 91 ff.)

 

Rz. 76

Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe § 1 Rdn 1 ff.) verwiesen.

 

Rz. 77

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.100 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 4 (2.701 – 3.100 EUR) zur Anwendung. Es sind jedoch 3 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Die DT geht von 2 Unterhaltsberechtigten aus. Eine Herabstufung um eine Einkommensgruppe in Gruppe 3 (2.301 – 2.700 EUR) ist deshalb geboten.

 

Rz. 78

Kind K1 ist 7 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 2. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 501 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K1 beträgt somit 391,50 EUR (501 – 109,50 EUR).

Kind K2 ist 3 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 1. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 436 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K1 beträgt somit 326,50 EUR (436 – 109,50 EUR).

 

Zur Erinnerung:

Ein höheres Kindergeld gibt es erst ab dem dritten Kind (vgl. Fall 1, siehe § 1 Rdn 1 ff.).

II. Ehegattenunterhalt

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 79

Im Fallbeispiel wird ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (vgl. hierzu Fall 19, siehe Rdn 1 ff.) angenommen.

2. Bedarf

 

Rz. 80

Der eben bestimmte Kindesunterhalt (der Zahlbetrag, nicht der Tabellenbetrag) ist nunmehr vom Einkommen des M abzuziehen.

 

BGH, Urt. v. 27.5.2009 – XII ZR 78/08

Bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts ist nur der nach bedarfsdeckender Anrechnung des Kindergelds verbleibende Unterhaltsanspruch, also der Zahlbetrag, vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen ist. Denn nur insoweit wird das für den Ehegattenunterhalt verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen geschmälert.

Im Fallbeispiel bedeutet dies:

3.100 EUR (Einkommen M) – 391,50 EUR – 326,50 EUR (Zahlbeträge Kindesunterhalt) = 2.382 EUR

Diese 2.382 EUR fließen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts ein.

Halbteilungsgrundsatz:

Erwerbstätigenbonus: 2.382 EUR × 10 % = 238 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen: 2.382 – 238 EUR = 2.144 EUR

F hat kein Einkommen. Der Bedarf ist ½ von 2.144 EUR = 1.072 EUR

3. Bedürftigkeit (ungedeckter Bedarf)

 

Rz. 81

Nachdem F kein eigenes Einkommen hat, durch das der ermittelte Bedarf gedeckt würde, entspricht die Höhe des ermittelten Bedarfs der Höhe des geschuldeten Unterhalts.

4. Leistungsfähigkeit

 

Rz. 82

M bleiben 1.310 EUR (3.100– 391,50 – 326,50 – 1.072 EUR). Sein Selbstbehalt (gegenüber F 1.280 EUR) ist damit gewahrt.

Das Verteilungsergebnis erscheint auch angemessen. Wollte man zur Wahrung des Bedarfskontrollbetrages (vgl. DT) den Kindesunterhalt (bis auf den Mindestunterhalt) herabsetzen, so sollten die hierdurch freiwerdenden Mittel nicht für eine Neuberechnung und damit letztlich Erhöhung des Ehegattenunterhalts herangezogen werden.

III. Zahlungspflichten

 

Rz. 83

M hat folgenden Unterhalt zu leisten: für K1 391,50 EUR, für K2 326,50 EUR und für F 1.072 EUR.

IV. Hinweise

 

Rz. 84

Soweit das Kind bzw. die Kinder (auch) in einer Betreuungseinrichtung sind, sind die Kosten hierfür – ohne die Verpflegungskosten – Mehrbedarf (vgl. hierzu Fall 4, siehe § 1 Rdn 53 ff.).

Nachdem die Kinder bereits älter als 3 Jahre sind, besteht grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit der F (zu den Einzelheiten vgl. Fall 15, siehe § 3 Rdn 1 ff.).

 

Rz. 85

Geht man insoweit z.B. davon aus, dass die F infolge Schulbesuchs des einen Kindes und Kindergartenbesuchs des anderen Kindes monatlich 450 EUR verdienen kann bzw. könnte, so ergibt sich folgende Berechnung des Ehegattenunterhalts:

Bedarfsbestimmendes Einkommen des M wie bereits errechnet: 2.144 EUR

Erwerbstätigenbonus der F: 450 EUR × 10 % = 45 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen der F = 405 EUR (450 – 45 EUR)

Halbteilungsgrundsatz

Bedarf der F = ½ aus 2.549 (2.144 + 405 EUR) = 1.274,50 EUR

Unterhaltsanspruch der F = Restbedarf = Bedarf abzüglich des um den Erwerbstätigen­bonus gekürzten Eigeneinkommens = 1.274,50 – 405 EUR = 869,50 EUR

 

Rz. 86

"Unterhaltsrichtung": Typischerweise laufen Kindesunterhaltsansprüche parallel mit einem Ehegattenunterhaltsanspruch, d.h. die Frau, die für die von ihr betreuten Kinder Kindesunterhalt erhält, hat einen Ehegattenunterhaltsanspruch. Dies muss jedoch nicht so sein. So kann gerade die Barunterhaltspflicht gegenüber einem Kind bzw. mehreren ...

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