Rz. 17

Wenn der betreuende Elternteil eine angemessene Erwerbstätigkeit nur teilweise ausüben kann, beruht der Unterhalt zum Teil auf § 1570 (Betreuungsunterhalt) und zum Teil auf § 1573 Abs. 2 (Aufstockungsunterhalt).

Differenz zwischen tatsächlichem Teilzeiteinkommen und (fiktivem) Einkommen bei Vollzeiteinkommen: Betreuungsunterhalt.

Verbleibende Differenz zwischen Eigeneinkommen und Betreuungsunterhalt einerseits und Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen andererseits: Aufstockungsunterhalt.

 

BGH, Urt. v. 18.4.2012 – XII ZR 65/10 Tz. 15

Der Unterhaltsanspruch ergibt sich […] nicht in vollem Umfang aus § 1570 BGB (Betreuungsunterhalt), sondern zum Teil aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt). Da die Antragsgegnerin aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen durch die Betreuung der Kinder nicht an einer Teilzeiterwerbstätigkeit gehindert ist, beruht der Anspruch nur insoweit auf § 1570 BGB, als sie durch die Kinderbetreuung an der Erwerbstätigkeit gehindert ist. Da neben der Kinderbetreuung kein anderes Erwerbshindernis besteht, ergibt sich der Anspruch im Übrigen somit aus § 1573 Abs. 2 BGB (vgl. insoweit Urteile vom 13.12.1989 – IVb ZR 79/89, FamRZ 1990, 492, 493 f.; vom 26.11.2008 – XII ZR 131/07, FamRZ 2009, 406, 407 f. [zu § 1572 BGB] und vom 3.2.1999 – XII ZR 146/97, FamRZ 1999, 708, 709 [zu § 1571 BGB]).

 

Rz. 18

Dies erfordert konkreten Feststellungen in Bezug auf das Einkommen.

 

BGH, Urt. v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08

Bei einer lediglich teilweisen Erwerbshinderung ist der Unterhalt allein wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls nach §§ 1570 bis 1572 BGB zu stützen und im Übrigen auf § 1573 Abs. 2 BGB (Urteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 – Tz. 20 und vom 14.4.2010 – XII ZR 89/08).

Bei teilweiser Erwerbshinderung ist zunächst festzustellen, welches Einkommen die Unterhaltsberechtigte bei einer Ganztagstätigkeit hätte erzielen können; die Differenz zu dem tatsächlich erzielten bzw. fiktiv erzielbaren Einkommen stellt den nach § 1570 BGB geschuldeten Betreuungsunterhalt dar. Erst in einem zweiten Schritt kann festgestellt werden, ob bzw. in welcher Höhe daneben ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB besteht; denn die Höhe dieses Unterhalts ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (voller Unterhalt) gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB und dem angemessenen Lebensbedarf (i.d.R. Einkommen aus voller Erwerbstätigkeit).

 

Rz. 19

 

Beispiel (stark vereinfacht)

Die Ehe zwischen M und F – seiner vormaligen Sekretärin – wird geschieden. Das bereinigte Nettoeinkommen des M beträgt 8.000 EUR.

 

Rz. 20

 

Variante 1

F betreut das 14-jährige Kind und verdient in einer angemessenen Vollzeittätigkeit 2.000 EUR.

Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen beträgt (vereinfacht) 5.000 EUR (½ aus (8.000 + 2.000 EUR)). Ob F einen Anspruch auf die Differenz (3.000 EUR) zwischen ihrem erzielten Einkommen (2.000 EUR) und dem Bedarf nach den ehelichen ­Lebensverhältnissen hat (5.000 EUR), beurteilt sich ausschließlich nach § 1573 Abs. 2 (Aufstockungsunterhalt).

 

Rz. 21

 

Variante 2

F betreut das zweijährige Kind. Sie ist deshalb nicht erwerbstätig, sie hat also kein Einkommen.

Der Unterhaltsanspruch ergibt sich ausschließlich aus § 1570 (Betreuungsunterhalt). Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen beträgt (vereinfacht) 4.000 EUR (½ aus 8.000 EUR).

 

Rz. 22

 

Variante 3

F kann wegen Betreuung des fünfjährigen Kindes nur halbtags einer (angemessenen) Tätigkeit nachgehen und verdient hierbei 1.000 EUR. Bei einer Vollzeittätigkeit, an der sie jedoch wegen Kinderbetreuung gehindert ist, würde F 1.800 EUR verdienen.

Der Unterhaltsanspruch der F ist bezüglich der Differenz zwischen tatsächlichem Eigeneinkommen (1.000 EUR) und dem Einkommen, das sie ohne Kinderbetreuung verdienen würde (1.800 EUR), also in Höhe von 800 EUR auf § 1570 zu stützen.

Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen beträgt (vereinfacht) 4.500 EUR [½ aus (8.000 + 1.000 EUR)]. Da F Eigeneinkommen in Höhe von 1.000 EUR hat, besteht ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 3.500 EUR. Der setzt sich zusammen aus 800 EUR Betreuungsunterhalt und 2.500 EUR Aufstockungsunterhalt.

 

Hinweis zum Rang:

Der Teilanspruch auf Aufstockungsunterhalt neben einem Teilanspruch auf Betreuungsunterhalt steht auch im 2. Rang (§ 1609 Nr. 2).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge