1. Allgemeines

 

Rz. 7

Unabhängig davon, ob es sich um ein Fahrzeug oder einen Fußgänger handelt, gibt es grundsätzlich nur vier Bewegungsarten. Es handelt sich hierbei um:

konstante Geschwindigkeit,
Verzögerung,
Beschleunigung,
Stillstand.

Alle Fahrlinien im Weg-Zeit-Diagramm werden aus diesen vier Bewegungsarten zusammengesetzt.

2. Konstante Geschwindigkeit

 

Rz. 8

Die Fahrlinie einer konstanten Geschwindigkeit wird im Weg-Zeit-Diagramm als Gerade dargestellt, da pro Zeiteinheit jeweils gleiche Strecken zurückgelegt werden. Je größer die Geschwindigkeit wird, desto flacher wird die Gerade. Zur Veranschaulichung wurde in Abb. 4.3 die Fahrlinie eines Pkw eingetragen, der mit 50 km/h fährt. In einer Sekunde (1 s) legt der Pkw damit knapp 14 m zurück. Ein Radfahrer, der mit dem halben Tempo (25 km/h) unterwegs ist, legt während einer Sekunde (1 s) natürlich nur eine halb so lange Strecke von knapp 7 m zurück. Die Bewegungslinie ist somit deutlich steiler.

Abb. 4.3

3. Verzögerung

 

Rz. 9

Die zweite Bewegungsform ist die Verzögerung, also eine Geschwindigkeitsabnahme infolge einer Bremsung oder Gaswegnahme. In der Regel werden im Weg-Zeit-Diagramm nur gleichmäßige Verzögerungen betrachtet. Da pro Zeiteinheit immer gleiche Geschwindigkeiten abgebaut werden, ist die Form der Bewegungslinie eine gekrümmte Linie in Form einer Parabel. Die Höhe des Geschwindigkeitsabbaus richtet sich nach der Größe der Verzögerung. Um dies zu veranschaulichen, wurde in Abb. 4.4 die Fahrlinie für den Bremsvorgang eines Pkws und eines Fahrrades dargestellt. Die Bremsausgangsgeschwindigkeit des Pkws beträgt 50 km/h, die des Fahrrades 25 km/h. Der Pkw wird mit einer Vollbremsverzögerung von 8 m/s2, das Fahrrad mit der halben Verzögerung von 4 m/s2 abgebremst. Diese sogenannten Bremsparabeln werden mit abnehmender Geschwindigkeit immer steiler und münden beim Stillstand in einer Senkrechten, da immer weniger Weg pro Zeiteinheit zurückgelegt wird. Wenn der Verzögerungswert (z.B. a = - 7 m/s2) mit dem Faktor 3,6 multipliziert wird, erhält man die Verzögerungsangabe in km/h pro Sekunde. D.h., dass bei einer Bremsung mit diesem Verzögerungswert pro Sekunde eine Geschwindigkeit von rund 25 km/h abgebaut wird.

 

Rz. 10

Der Abb. 4.4 lässt sich weiter entnehmen, dass sowohl der Pkw als auch das Fahrrad nach 1,7 s zum Stillstand kommen. Somit ist die Bremsdauer proportional zur Geschwindigkeit und zur Verzögerung (t = v/a).

Abb. 4.4

 

Rz. 11

Anders verhält es sich beim Bremsweg. Die Länge des Bremsweges steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Würde der Radfahrer beispielsweise aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h bremsen, so ist der Bremsweg viermal länger als bei 25 km/h Ausgangsgeschwindigkeit. Der Pkw würde bei einer Geschwindigkeit von 25 km/h nur ein Viertel des Bremsweges benötigen (v = √2as).

4. Beschleunigung

 

Rz. 12

Eine Beschleunigung, also eine Geschwindigkeitszunahme, unterscheidet sich physikalisch von einer Verzögerung nur durch das Vorzeichen. Bei gleichem Verzögerungs- bzw. Beschleunigungswert ist die Form der Parabel genau gleich. Nur wird sie im Weg-Zeit-Diagramm spiegelverkehrt eingetragen. Bei einer Beschleunigung aus dem Stillstand beginnt die Bewegungslinie aus der Senkrechten und wird mit steigender Geschwindigkeit immer flacher. Abb. 4.5 zeigt den Beschleunigungsvorgang des Fahrrades und des Pkws. Für den Radfahrer ist eine Beschleunigung von 1 m/s2 (also eine Geschwindigkeitszunahme von 3,6 km/h/s) bis auf eine Ausgangsgeschwindigkeit von 25 km/h dargestellt. Der Radfahrer benötigt für diesen Fahrvorgang rund sieben Sekunden (7 s). Der Pkw (Beschleunigung a = 2 m/s2) erreicht diese Geschwindigkeit nach der Hälfte dieser Zeit (3,5 s).

Abb. 4.5

5. Stillstand

 

Rz. 13

Die letzte und besondere Bewegungslinie in einem Weg-Zeit-Diagramm ist der Stillstand. Da die Zeit verstreicht, aber kein Weg zurückgelegt wird, handelt es sich um eine senkrechte Linie. Nicht selten wird vorgetragen, dass einer der Beteiligten mit seinem Fahrzeug bereits stand, als es zum Unfall kam. Bei Parkplatzunfällen sind es sogar gelegentlich zwei Beteiligte, die mit ihren Fahrzeugen gestanden haben wollen.

 

Rz. 14

Beim Stillstand eines der Fahrzeuge ergibt sich für den Unfallanalytiker die Schwierigkeit, dass keine eindeutige Verknüpfung der Fahrvorgänge beider Unfallbeteiligter möglich ist. Es lässt sich im Nachhinein nicht mehr unterscheiden, ob die Bewegung eines der Fahrzeuge nach einer Abbremsung gerade mit Erreichen des Kollisionsortes in den Stillstand überging oder längere Stillstandszeiten vor der Kollision vorlagen. In derartigen Fällen können in der Regel nur Grenzbetrachtungen angestellt werden. Wenn ein Fahrzeug tatsächlich stand, hat der Fahrer mithin das Problem, nicht nachweisen zu können, schon längere Zeit gestanden zu haben.

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