Rz. 27

Die Umsetzung der WKRL führt die Abhilfekaskade der Rechte des Käufers bei Mängeln nach § 437 BGB zwar fort:

Nacherfüllung (§ 439 BGB, in Gestalt von Nachbesserung oder Nachlieferung – Nr. 1)
Rücktritt vom Vertrag (§§ 440, 323 und 326 Abs. 5 BGB) bzw. Minderung des Kaufpreises (§ 441 BGB) (Nr. 2)
Schadens- (§§ 440, 280, 281, 283 und 311a BGB) oder Aufwendungsersatz (§ 284 BGB) (Nr. 3)
 

Rz. 28

Die Vorgaben der WKRL machten jedoch eine Modifikation von § 439 Abs. 3 BGB alt, der die Kodifizierung der EuGH-Rechtsprechung in den Rechtsachen Weber/Putz[115] vollzogen hatte, notwendig. In Bezug auf die Notwendigkeit einer Gutgläubigkeit nach Maßgabe der Entscheidung des EuGH hatte § 439 Abs. 2 Satz 2 BGB alt bestimmt, dass im Hinblick auf den Ersatz von Aufwendungen für den Aus- und Wiedereinbau die Regelung des § 442 Abs. 1 BGB alt (Kenntnis des Mangels) mit der Maßgabe anzuwenden war, dass für die Kenntnis des Käufers an die Stelle des Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Zeitpunkt des Einbaus oder des Anbringens der mangelhaften Sache durch den Käufer trat. Damit war ein Aufwendungsersatz ausgeschlossen, wenn der Käufer die Sache in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels eingebaut hatte.

[115] EuGH, Urt. v. 16.6.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269, wobei das Gericht entschieden hatte, dass der Nacherfüllungsanspruch sich im Fall der Lieferung einer mangelhaften Sache nicht nur auf eine Neulieferung beschränkt. Vielmehr muss der Unternehmer – darüber hinaus – auch entweder den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der neu gelieferten Sache bzw. die dafür anfallenden Kosten tragen, wenn und soweit der Verbraucher die gekaufte Sache ihrer Bestimmung gemäß "gutgläubig" eingebaut hat.

I. Ersatz der Aus- und Einbaukosten

 

Rz. 29

Nach § 439 Abs. 3 BGB, dessen zweiter Satz gestrichen wurde (zur modifizierten Anwendung des § 442 Abs. 1 BGB, da Art. 14 Abs. 3 WKRL[116] keine Beschränkung der Käuferrechte vorsieht, wenn diesem der Mangel vor dem Einbau unbekannt geblieben ist,[117] kein Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs bei grob fahrlässiger Unkenntnis), ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung, wenn der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck

in eine andere Sache eingebaut (installiert) oder
an eine andere Sache angebracht (montiert) hat,

"bevor der Mangel (d.h. die Vertragswidrigkeit) offenbar wurde", verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen (Kostenübernahmeverpflichtung des Verkäufers).

 

Rz. 30

Die Kenntnis des Mangels folgt damit direkt aus § 439 Abs. 3 BGB: "Der Käufer hat unmittelbar einen Anspruch gegen den Verkäufer auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten, ohne dass der Verkäufer (oder dessen Lieferanten) Gelegenheit bekommen, den Aus- und Einbau in Natur vorzunehmen".[118]

 

Rz. 31

Nach Lorenz[119] soll für das bislang weder im BGB noch jetzt in der WKRL Erwähnung findende neue Tatbestandsmerkmal "offenbar wurde" – anders als der RegE,[120] der es mit positiver Kenntnis gleichsetzen will – i.S.e. objektivierten Sichtweise (ähnlich § 377 HGB) maßgeblich sein, "ob sich die Vertragswidrigkeit einem Durchschnittskäufer nachgerade aufdrängen muss, was wiederum sachlich mit dem bislang maßgeblichen Kriterium der groben Fahrlässigkeit in § 442 Abs. 1 BGB übereinstimmen dürfte".

 

Rz. 32

Die Regelung dient – wie bisher – der Umsetzung der Vorgaben des EuGH aus der Weber/Putz-Entscheidung[121] (im Hinblick auf die Erfordernisse eines gutgläubigen Einbaus), wonach der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache neu einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen.

Art. 14 Abs. 3 WKRL[122] hält an dieser Beurteilung zwar fest, fordert aber Anpassungen im Detail.

 

Rz. 33

Die Vorgabe des EuGH für einen Ersatz der Ein- und Ausbaukosten, dass der Verkäufer die Sache gutgläubig eingebaut hat (umgesetzt in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB alt) bedarf aufgrund von Art. 14 Abs. 3 WKRL,[123] der zur Voraussetzung hat, dass die Sache "bevor die Vertragswidrigkeit offenbar wurde" montiert oder installiert wurde, nur einer entsprechenden Anpassung im Detail.

 

Rz. 34

Die Pflicht des Verkäufers zur Nacherfüllung umfasst nach Art. 14 Abs. 3 WKRL[124] die Durchführung des Aus- und Einbaus in Selbstvornahme oder (alternativ) die Übernahme der entsprechenden Kosten, ohne dass die WKRL bestimmt, wer die Auswahl zwischen den beiden Rechtsbehelfen treffen darf. Die Entscheidung darüber hat auch der EuGH dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung usw. vom 28.4.2017[125] wurde (zwecks Vermeidung von Konkurrenzen von Hauptleistungspflichten aus einem Werkvertrag einerseits und Gewährleistungsrechten aus einem Kaufvertrag andererseits) dem Käufer in § 43...

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