Rz. 47

BGH, Urt. v. 13.7.2010 – VI ZR 259/09, zfs 2010, 621 = VersR 2010, 1380

Zitat

BGB §§ 249, 254 Abs. 2

a) Der Schädiger kann den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (vgl. Senatsurt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, VersR 2010, 225, BGHZ 183, 21; v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09 und VI ZR 302/08).
b) Für die tatrichterliche Beurteilung der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit gilt auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO.

a) Der Fall

 

Rz. 48

Die Klägerin, eine Autovermietung mit Sitz in Frankfurt am Main, nahm den beklagten Haftpflichtversicherer auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 9.10.2008 in Anspruch, bei dem ihr Fahrzeug, ein zum Unfallzeitpunkt sieben Jahre alter gewerblich genutzter Mercedes-Benz A 140, beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners stand dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien stritten nur noch um die Frage, ob sich die Klägerin im Rahmen der fiktiven Abrechnung ihres Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer von der Beklagten benannten, nicht markengebundenen Karosseriefachwerkstatt verweisen lassen musste oder ob sie auf Grundlage des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt des Kfz-Herstellers erstattet verlangen konnte.

 

Rz. 49

Die Beklagte legte ihrer Schadensberechnung die günstigeren Stundenverrechnungssätze einer von ihr benannten Karosseriefachwerkstatt zugrunde und kürzte deshalb die im Sachverständigengutachten kalkulierten Stundenverrechnungssätze einer Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt auf die Stundenverrechnungssätze des teuersten der drei von ihr benannten Karosseriefachbetriebe. Ferner berücksichtigte sie nicht Fahrzeugverbringungskosten. Der Differenzbetrag von insgesamt 442 EUR nebst Zinsen war Gegenstand der vorliegenden Klage. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 50

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Der erkennende Senat hat in mehreren Entscheidungen grundsätzlich Stellung dazu bezogen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann (vgl. Senatsurt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, VersR 2010, 225, BGHZ 183, 21 [(siehe auch Rn 7)]; v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 [(siehe auch Rn 21)]; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 [(siehe auch Rn 39)], und VI ZR 302/08, z.V.b.).

 

Rz. 51

Danach leistet der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

 

Rz. 52

Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.

 

Rz. 53

Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Aber auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten auch dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise...

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