Rz. 92

BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 363/12, zfs 2014, 204 = VersR 2014, 256

Zitat

BGB §§ 249 Abs. 2 S. 1, 632 Abs. 2

Wird eine im Bereich einer Autobahn befindliche Baustellenabsicherungsanlage durch ein Kraftfahrzeug beschädigt, kann dem Unternehmer, der die Anlage im Auftrag der zuständigen Behörde errichtet hat, ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens in Höhe des Werklohns zustehen, den ein gewerblicher Betrieb für eine Reparatur in vergleichbaren Fällen üblicherweise verlangen kann.

a) Der Fall

 

Rz. 93

Die Beklagten hatten der Klägerin unstreitig den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das komplette Baustellenabsicherungsanlagen errichtet. Am Unfalltag geriet ein vom Beklagten zu 2 gesteuerter, bei der Beklagten zu 1 versicherter Lkw auf der A 61 im Bereich der Gemarkung D aufgrund eines geplatzten Vorderreifens ins Schleudern und kollidierte mit einer von der Klägerin errichteten Baustellenabsicherungsanlage, wobei diese beschädigt wurde.

 

Rz. 94

Die Beklagte zu 1 hatte auf den von der Klägerin in Rechnung gestellten Ersatzbetrag in Höhe von 7.830,14 EUR insgesamt eine Zahlung von 2.832,42 EUR (zuzüglich einer Schadenspauschale) erbracht. Der Ersatzbetrag setzte sich im Wesentlichen zusammen aus der Höhe der Netto-Materialkosten, den abgerechneten Arbeitsstunden und den Fahrzeugkosten. Die Parteien stritten im Berufungsverfahren noch um die Ersatzfähigkeit der Positionen Materialgemeinkostenzuschlag, Fertigungsgemeinkostenzuschlag, Kosten der Schadensbekämpfung, Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Wagnis und Gewinn.

 

Rz. 95

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin unter Abweisung der erweiterten Klage zurückgewiesen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 96

Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus:

Der Bundesgerichtshof lasse zu, dass, wenn bei einer Beschädigung einer Sache der Geschädigte die Sache im eigenen Betrieb reparieren lasse, dieser neben dem Lohn- und Materialaufwand auch anteilige Gemeinkosten – außer Unternehmergewinn – geltend machen könne. Der Bundesgerichtshof habe jedoch klargestellt, dass der Geschädigte nur die Kosten der jeweiligen Schadensbeseitigung beanspruchen könne. Der Anspruch sei auf die dem Geschädigten erwachsenen unfallbedingten Selbstkosten beschränkt. Mithin könne der Geschädigte nur die Mehrkosten verlangen, die ihm durch den jeweiligen konkreten Unfall entstanden seien, die also als solche durch die Schadensbilanz – und nicht durch eine betriebswirtschaftliche Kalkulation – ausgewiesen würden.

Die geltend gemachten Materialgemeinkosten, Fertigungsgemeinkosten, Kosten der Schadensbekämpfung und Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Wagnis und Gewinn seien in diesem Sinne nicht auf das konkrete Unfallereignis bezogen. Bei den Kosten handele es sich um solche, die sich aus dem Geschäftsmodell der Klägerin bzw. aufgrund der "klassischen Mühewaltung" ergäben und die durch den "normalen Geschäftsbetrieb", nicht aber durch Schadensfälle erwirtschaftet werden müssten.

 

Rz. 97

Die dagegen gerichtete Revision war begründet. Die Abweisung der Klage konnte mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin sei zu verneinen, weil die streitigen Positionen nicht durch das konkrete Unfallereignis bedingt seien, beruhte auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach dann, wenn wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann.

 

Rz. 98

Das Berufungsgericht meinte, seiner Entscheidung die Ausführungen des erkennenden Senats in dem Urt. v. 31.5.1983 (VI ZR 241/79, VersR 1983, 755) zugrunde legen zu können (ähnlich auch OLG Zweibrücken, VersR 2002, 1566). Das war indes nicht der Fall. Jene Entscheidung greift Erwägungen des Senatsurt. v. 26.5.1970 (VI ZR 168/68, BGHZ 54, 82, 87 f.; vgl. auch Senatsurt. v. 3.2.1961 – VI ZR 178/59, JZ 1961, 420, 421) auf. Diesen Entscheidungen liegt jeweils zugrunde, dass ein Verkehrsbetrieb unfallbedingt einen Schaden an seinen Fahrzeugen erlitt. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Verkehrsbetrieb, der eine Werkstätte unterhält, die nur zur Instandsetzung der eigenen Fahrzeuge bestimmt ist, von dem Schädiger eines Fahrzeugs nicht ohne weiteres Ersatz der höheren Kosten einer nicht vorgenommenen Fremdreparatur fordern kann, dass vielmehr in der Regel lediglich nach den Selbstkosten einer solchen Betriebswerkstatt zuzüglich anteiliger Gemeinkosten abgerechnet werden kann, weil nur diese Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich sind.

 

Rz. 99

Bei der vorliegenden Fallgestaltung lagen die Dinge anders. Ein Verkehrsbetrieb, der seine eigenen Fahrzeuge in einer eigenen Werkstatt repariert, ist nicht als Reparaturbetrieb gegenüber Dritten gewerblich t...

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