Rz. 112

Streiten die Parteien daher über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB (Muss der Unternehmer einer Anordnung nachkommen? Ist die Anordnung für ihn zumutbar?) oder über die Höhe einer Vergütungsanpassung (z.B. bei Streitigkeiten über die Höhe der zu leistenden Abschlagszahlungen, berechnet nach § 650c Abs. 3 BGB bzw. § 650c Abs. 1 und 2 BGB) und einer zu gewährenden Sicherheit (falls die Parteien sich über die Mehr- oder Mindervergütung infolge einer Änderung nicht geeinigt haben), ist es im Interesse einer raschen Einigung nicht erforderlich, dass der Verfügungsgrund (also die Begründung der Eilbedürftigkeit des Antrags) glaubhaft gemacht wird. Durch den Wegfall der Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes wird das Bestehen der Dringlichkeit widerleglich vermutet und damit die Erlangung des einstweiligen Rechtsschutzes erleichtert.

 

Rz. 113

Nur der Verfügungsanspruch muss weiterhin geltend gemacht werden, d.h. die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB oder die Rechtmäßigkeit der Höhe einer Vergütungsanpassung nach § 650c Abs. 13 BGB. Dieser Verfügungsanspruch ist die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, auf deren Basis die einstweilige Verfügung ergehen soll.

 

Rz. 114

Begründet wurde der Verzicht auf die Darlegung des Verfügungsgrundes zum einen damit, dass der grundsätzlich vorleistungspflichtige Unternehmer in besonderem Maße auf Liquidität angewiesen sei, dies insbesondere auch, wenn aufgrund der Anordnung des Bestellers erhebliche Kostensteigerungen einträten.[123] Zum anderen rechtfertige sich der Verzicht auf die Darlegung der besonderen Dringlichkeit bei der Durchsetzung von Anordnungen des Bestellers damit, dass sich am Bau ständig die Sachlage ändere und vollendete Tatsachen geschaffen würden, wenn ohne vorherige gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung weitergebaut würde.[124]

 

Rz. 115

Dennoch mehren sich kritische Stimmen, die anführen, dass allein das Entfallen der Darlegung der besonderen Dringlichkeit dem Antragsteller im Rahmen einer einstweiligen Verfügung kaum helfen kann, wenn der Verfügungsanspruch – nämlich besonders die geltend gemachte Mehrvergütung – gerade nicht glaubhaft gemacht werden kann.[125] Die technisch und baubetrieblich diffizilen Fragestellungen, ob z.B. tatsächlich eine Änderung des Vertrages vorliegt oder ob die nach § 650c Abs. 2 BGB fortgeschriebene Vergütung den tatsächlich erforderlichen Kosten und angemessenen Zuschlägen entspricht, ist mit den Mitteln des einstweiligen Verfügungsverfahrens (Glaubhaftmachung und präsente Beweismittel) kaum zu bewältigen.[126]

 

Rz. 116

Andererseits kann auch dahingehend argumentiert werden, dass die besondere Dringlichkeit gerade doch dargelegt werden solle, um einer Widerlegbarkeit des Verfügungsgrundes durch den Antragsgegner von vorneherein entgegenzutreten. Es ist dem Antragsteller daher auch immer zu raten, glaubhaft zu machen, dass bei Nichtgewährung der einstweiligen Verfügung ein erheblicher Nachteil droht, der später möglicherweise nicht mehr ausgeglichen werden kann.

Auch ist Bestellern zukünftig zu raten, vorsorglich Schutzschriften bei Gericht einzureichen und zu verwalten, um im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zumindest eine mündliche Verhandlung zu erzwingen.[127]

[123] Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/8486, 58.
[124] Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/8486, 54.
[125] Eichberger, in: Hdb. des privaten Baurechts.
[126] Oberhauser, in: Das neue Bauvertragsrecht, Rn 139.
[127] Eichberger, in: Hdb. des privaten Baurechts.

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