a) Allgemeines

 

Rz. 139

Die §§ 2303 ff. BGB regeln das Pflichtteilsrecht. Sie sichern den nächsten Angehörigen des Erblassers die verfassungsrechtlich garantierte Mindestteilhabe am Nachlass. Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehören neben den Abkömmlingen des Erblassers dessen Ehegatte sowie seine Eltern, § 2303 BGB. Auch der Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist pflichtteilsberechtigt. Geschwistern steht kein Pflichtteilsrecht zu.

 

Rz. 140

Die Höhe des Pflichtteils liegt in der Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war: die gesetzliche Erbquote des Ehegatten und der anderen gesetzlichen Erben wird vom Güterstand beeinflusst. Nachdem der Pflichtteil immer in der Hälfte der gesetzlichen Erbquote liegt, orientiert er sich ebenfalls am Güterstand.

 

Wichtig

Eine Wahl des Ehegatten für die güterrechtliche Lösung (Ausschlagung der Erbschaft und Geltendmachung des kleinen Pflichtteils sowie Beanspruchung des konkreten Zugewinnausgleichs nach § 1371 BGB) modifiziert auch die Pflichtteilsquoten der übrigen pflichtteilsberechtigten Personen.

 

Rz. 141

Zu beachten ist weiter § 2310 BGB: danach werden Personen, die durch Ausschlagung, Erbunwürdigkeit oder durch Enterbung von der Erbfolge ausgeschlossen sind, bei der Berechnung der Pflichtteilsquote nicht mitgezählt.

 

Rz. 142

Der Berechtigte erhält einen rein schuldrechtlichen Anspruch in Geld und nicht etwa eine dingliche Beteiligung am Nachlass.

 

Rz. 143

Die §§ 2333 ff. BGB regeln Möglichkeiten des Erblassers, Pflichtteilsrechte in zulässiger Weise zu verkürzen.

 

Rz. 144

Gemäß § 2332 BGB verjähren Pflichtteilsansprüche in drei Jahren ab Kenntnis vom Erbfall und von der beeinträchtigenden Verfügung.

b) Ordentlicher Pflichtteil

 

Rz. 145

Gemäß § 2317 Abs. 1 BGB entsteht der Pflichtteilsanspruch mit dem Erbfall. Ein Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil besteht dann, wenn der übergangene Anspruchsteller zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört, keinen Verzicht erklärt hat und der Anspruch nicht ausgeschlossen (§§ 2333 ff. BGB) oder verjährt (§ 2332 BGB) ist.

 

Rz. 146

Wer die Erbschaft ausschlägt, verliert in der Regel auch seinen Pflichtteilsanspruch. Ausnahmen von dieser Regel finden sich in § 2306 BGB (belasteter bzw. beschwerter Erbteil) und in § 1371 BGB (Ausschlagung des Zugewinn-Ehegatten).

Schuldner des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs ist der bzw. sind die Erben.

 

Rz. 147

Neben dem Zahlungsanspruch hat der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung, § 2314 BGB. Auskunft und Wertermittlung sind vom Zahlungsanspruch dogmatisch zu trennen: Es handelt sich um selbstständige, wenn auch die Zahlung lediglich vorbereitende Ansprüche. Im Rahmen des Auskunftsanspruchs schuldet der verpflichtete Erbe die Angabe sämtlicher Nachlassgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten (Aktiva und Passiva). Zudem muss er Angaben machen zu anrechnungs- und ausgleichungspflichtigen Vorempfängen, zum Güterstand, in dem der Erblasser gelebt hat und zu Schenkungen, die zu Lebzeiten des Erblassers von diesem getätigt worden sind.

 

Wichtig

Die Beurteilung, ob aus den vorzutragenden Positionen tatsächlich ein Anspruch abzuleiten ist, obliegt nicht dem Auskunftsschuldner, sondern dem Berechtigten. Insofern kommt es also auch nicht, wie vielfach irrig angenommen, darauf an, ob die 10-Jahresfrist faktisch bereits abgelaufen ist.

 

Rz. 148

Im Rahmen der Wertermittlung schuldet der verpflichtete Erbe die Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände auf Kosten des Nachlasses, § 2314 Abs. 2 BGB. Relevant ist dabei grundsätzlich der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles. Im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann daneben unter Berücksichtigung des in § 2325 Abs. 2 BGB verankerten Niederstwertprinzips auch der Zeitpunkt der Schenkung eine Rolle spielen.

 

Rz. 149

Zwar schuldet der Erbe anders als der Ehegatte bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs grundsätzlich keine Vorlage von Belegen. Allerdings kann für den Fall, dass ein Unternehmen zum Nachlass gehört, nach herrschender Meinung und Rechtsprechung die Vorlage von Belegen gefordert werden.[71]

[71] BeckOK BGB/Müller- Engels, § 2314 Rn 19.

c) Pflichtteilsergänzungsanspruch

 

Rz. 150

Das Pflichtteilsrecht garantiert dem Kreis der nach § 2303 BGB Berechtigen eine sog. Mindestteilhabe am Nachlass.[72] Dieses verfassungsrechtlich geschützte Recht[73] wäre gefährdet, könnte der Erblasser durch lebzeitige Schenkungen den dereinstigen Nachlass schmälern oder gar im Extremfall eine Reduktion auf Null herbeiführen. Um eine derartige Aushöhlung des Nachlasses zu verhindern, sieht das Gesetz in den §§ 2325 ff. BGB den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch vor. Der Schutz der §§ 2325 ff. BGB beeinträchtigt dabei freilich nicht die lebzeitige Verfügungsfreiheit des Erblassers. Allerdings geben die Vorschriften dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit, nach Eintritt des Erbfalles Ansprüche infolge lebzeitiger und den Nachlass schmälernder Vorschriften geltend zu machen.

 

Rz. 151

Der Pflichtteilsergänzungsan...

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