Rz. 6

Das Vermögen der Erbengemeinschaft ist gesamthänderisch gebunden und ein vom Privatvermögen der einzelnen Erben dinglich getrenntes Sondervermögen. Die Vermögen der Erben und das Sondervermögen der Erbengemeinschaft sind Vermögen verschiedener Rechtsträger und bleiben getrennt.[2] Rechtsbeziehungen, die der Erblasser mit einem Miterben hatte, bleiben bestehen. Konfusion tritt nicht ein, da der Miterbe auf das Sondervermögen nicht allein zugreifen kann.[3] Eine bestehende Bürgschaft erlischt auch nicht teilweise, wenn Gläubiger und Bürge den Hauptschuldner als Miterben beerben.[4] Inhaber von Nachlassforderungen und anderen -rechten ist die Gemeinschaft der Erben. Die Trennung des Nachlassvermögens vom Privatvermögen der Erben dient in erster Linie der Sicherung der Rechte der Nachlassgläubiger: Würde der Nachlass sogleich auf eine Mehrheit von Erben übergehen, so stünden die Nachlassgläubiger einer Vielzahl von Schuldnern und einer zersplitterten Nachlassmasse gegenüber.[5]

 

Rz. 7

Der einzelne Erbe kann ausschließlich über seinen gesamten Anteil am Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB), nicht jedoch über einzelne Nachlassgegenstände (§ 2033 Abs. 2 BGB). Durch den Erbfall erlangt der Miterbe daher auch keine unmittelbare gegenständliche Beziehung zu einem Nachlassgegenstand.[6] Dies gilt selbst dann, wenn der Nachlass nur noch aus einer Sache besteht.[7] Auch die "Zuweisung" eines Nachlassgegenstandes durch Testament des Erblassers führt zu keinem anderen Ergebnis: Der Erbe erlangt hier lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Miterben auf Erfüllung der Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) bzw. des Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB).

 

Rz. 8

Ausnahmen bilden lediglich solche Nachlassgegenstände oder -rechte, die im Rahmen einer Sondererbfolge nicht in das Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft fallen, sondern unmittelbar auf den oder die Begünstigten übergehen (Singularsukzession).[8] Die Singularsukzession ist im Erbrecht des BGB die absolute Ausnahme. Es gibt sie beim Eintrittsrecht in den Mietvertrag nach Tod des bzw. eines Mieters, §§ 563, 563a BGB (siehe hierzu § 19 Rdn 33 ff.) sowie bei Gesellschaftsanteilen, die aufgrund einer Nachfolgeklausel unmittelbar auf die im Gesellschaftsvertrag bestimmten Erben übergehen. Ist die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft durch Gesellschaftsvertrag (Nachfolgeklausel) vererblich gestellt, wird sie im Erbfall nicht gemeinschaftliches Vermögen der mehreren Nachfolger-Erben, sondern gelangt durch Singularsukzession unmittelbar und geteilt ohne weiteres Dazutun an die einzelnen Nachfolger[9] (siehe hierzu § 17 Rdn 6 ff.). Dies ist ein nur ausnahmsweise vorkommender Fall der Erbfolge in einzelne Vermögensgegenstände, der so auch im Gesetz nicht geregelt ist, sondern von der Rechtsprechung entwickelt wurde, um den besonderen Anforderungen im Gesellschaftsrecht Rechnung zu tragen.[10] Die so aufgeteilten Gesellschaftsanteile der Nachfolger gehören aber gleichwohl zum Nachlass.[11]

 

Rz. 9

Der Besitz geht nach § 857 BGB auf den Erben über. Daher wird jeder Erbe gem. § 866 BGB Mitbesitzer. Ergreift ein Miterbe alleinige Sachherrschaft für die Erbengemeinschaft, so werden alle Erben mittelbare Mitbesitzer und er unmittelbarer Fremdbesitzer.[12] Der Miterbe wird Eigenbesitzer, wenn er den Besitz für sich ergreift, § 872 BGB. Früchte von Nachlassgegenständen werden Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft, §§ 953, 2041 BGB (siehe hierzu Rdn 87 ff.).

 

Rz. 10

Die Erbengemeinschaft ist als Gesamthandsgemeinschaft im Wesentlichen auf einvernehmliches Handeln der Miterben angewiesen, was die Verwaltung und Veräußerung von Nachlassgegenständen erheblich erschweren kann. Gelingt es den Erben, sich nachträglich auf eine dritte, unbeteiligte Person zu einigen und sich deren Maßnahmen wie einem Testamentsvollstrecker zu unterwerfen, wird dies häufig zum Vorteil der Erbengemeinschaft sein, da der Nachlasswert gesichert wird und die Auseinandersetzung zügiger betrieben werden kann.

Zum gegenseitigen Anspruch der Erben auf Mitwirkung an der Verwaltung nach § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB siehe Rdn 68 ff.; zum Anspruch auf Mitwirkung bei der (Vorbereitung) der Auseinandersetzung siehe § 8 Rdn 13 ff.

[2] MüKo/Gergen, § 2032 Rn 23.
[3] BGH, Urt. v. 1.6.1967 – II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 218.
[4] RG, Urt. v. 2.3.1911 – VI 56/10, RGZ 76, 57, 58.
[5] MüKo/Gergen, vor § 2032 Rn 3.
[6] Palandt/Weidlich, § 2032 Rn 1.
[8] MüKo/Gergen, vor § 2032 Rn 8 ff.
[9] BGH, Urt. v. 4.5.1983 – IVa ZR 229/81, LS 1 und Rn 19, juris.
[12] Palandt/Herrler, § 857 Rn 3.

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