Rz. 71

Die Mitwirkungspflicht an Verwaltungsmaßnahmen der Erbengemeinschaft besteht ausschließlich bei Maßnahmen, die zur "ordnungsmäßigen" Verwaltung erforderlich sind. Ordnungsmäßige Verwaltung gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 745 BGB umfasst alle Maßnahmen, die der Beschaffenheit des betreffenden Nachlassgegenstandes und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen.[159] Die Frage der Ordnungsmäßigkeit ist an dem Verhalten einer verständigen Person in der gleichen Situation zu beurteilen.[160] Maßgebend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers zum Zeitpunkt, in dem die Handlung vorgenommen werden soll.[161] "Vernünftig" und "wirtschaftlich" ist es, bei mehreren Wegen die zum gleichen Erfolg führen, den einfacheren und leichteren Weg zu wählen.[162] Ann formuliert zu diesem Beurteilungsmaßstab plastisch:

Zitat

"Kernproblem dieses Verfahrens ist der Mangel an Rechtssicherheit. Prospektiv ist häufig nicht genau erkennbar, was ein Richter retrospektiv als die prospektive Einschätzung einer verständigen Person ansehen wird. Unsicherheit und daraus folgende Risikoscheu sind so gerade in Grenzfällen kaum vermeidbar."[163]

 

Rz. 72

Stellt sich im Nachhinein heraus, dass eine Verwaltungsmaßnahme im Außenverhältnis vertragswidrig gewesen ist, so kann es sich gleichwohl noch um eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung gehandelt haben.[164] Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei der Beschlussfassung

Zitat

"die Rechtslage auch nach Einholung von Rechtsrat nicht zuverlässig einzuschätzen war. Könnten vernünftige Maßnahmen nur dann mehrheitlich beschlossen werden, wenn ihre Umsetzung rechtlich unzweifelhaft ist, liefe dies auf eine – die Entscheidungsbefugnisse der Mehrheit weitgehend einschränkende – unzulässige Zweckmäßigkeitskontrolle hinaus."[165]

[159] Palandt/Weidlich, § 2038 Rn 6.
[160] KG, Urt. v. 28.11.1913 – 3 ZS, OLGE 30, 184.
[161] BGH, Urt. v. 8.5.1952 – IV ZR 208/51, BGHZ 6, 76, 81.
[162] BGH, Urt. v. 22.2.1965 – III ZR 208/63, FamRZ 1965, 267, 269.
[163] Ann, S. 31 f. in Fn 79, dort allerdings erst bezogen auf die "Erforderlichkeit" und nicht wie das KG in seinem Urteil (Fn 144) wohl meinte bereits bezogen auf die Frage der "Ordnungsmäßigkeit".

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