Rz. 269

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) der Länder ist am 7.11.2020 als Art. 3 des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Kraft getreten. Zweck dieser Ländervereinbarung ist der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, sowie der Schutz vor solchen Angeboten in den genannten Medien, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen (§ 1 JMStV). Regelungsgegenstand ist somit nicht nur der Jugendschutz, sondern auch der Schutz der Menschenwürde im Allgemeinen, mithin zum Teil auch für Erwachsene.[266]

 

Rz. 270

Der Geltungsbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags erstreckt sich auf elektronische Informations- und Kommunikationsmedien, wozu einerseits die Rundfunkanstalten, andererseits die Telemedien zählen (§ 2 Abs. 1 S. 1 JMStV). Während die materiellen Bestimmungen (§§ 1 bis 12 JMStV) sowohl für die öffentlichen als auch die privaten Rundfunkanbieter gelten, nehmen die verfahrensrechtlichen Regelungen (§§ 13 bis 24 JMStV) den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus.[267] Für diesen sind vielmehr die jeweiligen "internen" Aufsichtsgremien zuständig.[268]

 

Rz. 271

Die internationale Zuständigkeit folgt hier aus § 2 Abs. 1 S. 2, 3 JMStV, wonach der JMStV auch für Anbieter mit Sitz im EU-Ausland gilt, wenn die Angebote zur Nutzung in Deutschland bestimmt sind, wofür zunächst die verwendete Sprache ein wichtiges Indiz ist (Markortprinzip). Da allerdings viele marktrelevanten Anbieter wie Facebook, Instagram, Twitter und TikTok ihre für die EU maßgebliche Niederlassung in Irland haben, findet das deutsche Jugendmedienschutzrecht für diese Anbieter eher selten Anwendung (Herkunftslandprinzip/Sendelandprinzip). Denn nach den engen Ausnahmen des Herkunftslandprinzips (Art. 3 Abs. 4–6 ECRL) ist deutsches Recht nur anzuwenden, wenn die Tätigkeit der betreffenden Diensteanbieter ausschließlich und überwiegend auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausgerichtet ist, was bei den genannten international ausgerichteten Medienintermediären wohl kaum gegeben sein wird.[269]

 

Rz. 272

Telemedien sind die typischen Internetanbieter, namentlich die Teledienste im Sinne des § 1 Telemediengesetzes. Ausdrücklich ausgenommen aus dem Geltungsbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags sind die Telekommunikationsdienstleistungen und das geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten (§ 2 Abs. 2 JMStV).

 

Rz. 273

Inhaltlich regelt der Jugendmedien-Staatsvertrag ein dreistufiges Schutzsystem, bestehend aus absolut unzulässigen Angeboten (§ 4 Abs. 1 JMStV), ausnahmsweise in Telemedien zulässigen (relativ unzulässigen) Angeboten (§ 4 Abs. 2 JMStV) und schließlich den entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten (§ 5 JMStV).

 

Rz. 274

Die maßgebliche Regelung des § 4 Abs. 1 JMStV ordnet an, welche Angebote absolut unzulässig sind und entspricht in weiten Teilen § 15 Abs. 2 JuSchG (siehe Rdn 265). Schon das Zugänglichmachen der dort aufgeführten Inhalte erfüllt diesen Tatbestand, womit zugleich auch die Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 24 Abs. 1 Nr. 1a bis k JMStV einschlägig sind.[270] Daneben bleiben die Vorschriften des Strafrechts weiter relevant (siehe auch § 23 JMStV).

 

Rz. 275

§ 4 Abs. 1 JMStV hat eigene für die unkörperliche Verbreitungsform durch elektronische Online-Medien spezifische Unzulässigkeitstatbestände für strafrechtlich allgemein verbotene Rechtsgüterverletzungen geschaffen. So greifen § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 und 10 JMStV Verbotsbestimmungen des Strafgesetzbuches auf und erweitern deren Anwendungsbereich durch das medienrechtliche Spezifikum des "Angebots" (Definition in § 3 Abs. 2 Nr. 2 JMStV). Während etwa der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 JMStV in Bezug genommene § 86 Abs. 1 StGB die Verbreitung von verbotenen Propagandamitteln, also Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB, zum Gegenstand hat, erfasst der Anwendungsbereich der zuerst genannten Vorschrift alle Arten des Speicherns, z.B. auch als Internet-Live-Darbietung. § 11 Abs. 3 StGB ist dagegen auf fixierte Zeichen auf einem Ton- oder Bildträger begrenzt.[271]

 

Rz. 276

Eine weitere Besonderheit ist die Abkoppelung dieser Bestimmungen vom Strafrecht dadurch, dass es für das Verbotensein der elektronischen Verbreitung nicht auf die Erfüllung subjektiver Tatbestandsmerkmale (Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit) ankommt. Im Hinblick auf den Jugendschutz sind § 4 Abs. 1 Nr. 9 bis 11 JMStV besonders zu beachten.

 

Rz. 277

§ 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV verbietet die Darstellung von Kindern oder Jugendlichen in unnatürlicher geschlechtsbetonter Haltung, auch wenn dies in Form einer virtuellen Darstellung geschieht. Diese Vorschrift entspricht § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG.

 

Rz. 278

§ 4 Abs. 1 Nr. 10 JMStV ordnet das Absolutverbot sog. harter Pornographie an. Diese Regelung ist weiter gefasst als der entsprechende Straftatbestand des § 184 Abs. 3 StGB.[272] Letzterer erfasst lediglich Medie...

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