Rz. 79

Nach der Rechtsprechung des BGH braucht ein Testamentsvollstrecker, der entgegen der Regelung des § 2205 BGB über einen Nachlassgegenstand unentgeltlich verfügen will, nicht nur die Zustimmung aller Erben, sondern auch die Zustimmung aller Vermächtnisnehmer,[12] auch der minderjährigen. Dies soll wohl auch dann gelten, wenn die Vermächtnisse bereits erfüllt sind. So wird das gesetzliche Verbot des § 2205 S. 3 BGB, das Verbot unentgeltlicher Verfügungen, überwunden. Konsequenterweise müsste das Gleiche gelten, wenn der Testamentsvollstrecker entgegen Teilungsanordnungen, Verboten der Nachlassteilung, befristeten Verboten der Veräußerung oder Mindestpreisanordnungen beim Verkauf von Nachlassgegenständen mit Zustimmung der Miterben verfügen will. Dass auch als weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verfügung die Zustimmung der Vermächtnisnehmer nötig ist, hat der BGH in seinen weiteren Entscheidungen zur Grenze der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nie gesagt; es bestand freilich auch kein Anlass dazu.[13] Nach diesseitiger Ansicht bedarf es keiner Zustimmung der Vermächtnisnehmer.

 

Rz. 80

Soweit man den sicheren Weg einschlagen und daher dem BGH folgen will, ist zumindest neben der Zustimmung der Erben auch die Zustimmung der Vermächtnisnehmer, deren Vermächtnisse noch nicht erfüllt sind, einzuholen. Der Minderjährige, dem der Großvater einen "Oldie" zur Volljährigkeit vermacht hat, muss also der unentgeltlichen Verfügung des Testamentsvollstreckers über ein Grundstückzustimmen. Die Zustimmung muss bei einem geschäftsunfähigen Minderjährigen der gesetzliche Vertreter erteilen; bei einem geschäftsbeschränkten Minderjährigen stellt sich die Frage, ob er nicht selbst die Zustimmung erteilen kann. Solange nicht sein Anspruch auf das Vermächtnis direkt betroffen ist, ist ihm die Verfügung des Testamentsvollstreckers rechtlich nicht nachteilig, weil sie seinen Vermächtnisanspruch nicht betrifft. Daher kann der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige allein handeln (§§ 107, 111 BGB).

Wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Zustimmung zur unentgeltlichen Verfügung des Testamentsvollstreckers nicht als rechtlich neutral im Sinne des § 107 BGB ansieht und deshalb der gesetzliche Vertreter zustimmen muss, greifen dann §§ 1821, 1822 BGB ein, z.B. wenn der Testamentsvollstrecker ein Grundstück unentgeltlich mit Zustimmung aller Erben auflässt? Grundsätzlich gelten jene Vorschriften nicht für den Testamentsvollstrecker (vgl. § 1643 "Eltern", § 1915 "Pfleger", § 1822 "Vormund"). Gilt hier etwas anderes, ist für die Zustimmung der Eltern des minderjährigen Vermächtnisnehmers zur Verfügung[14] des Testamentsvollstreckers die Genehmigung des Familiengerichts notwendig? Die Zustimmung (des gesetzlichen Vertreters) zur Verfügung des Testamentsvollstreckers ist selbst (auch) eine Verfügung; der gesetzliche Vertreter "verfügt" also im Sinne der §§ 1643, 1821 Nr. 1 BGB über das Grundstück. Während der Testamentsvollstrecker in keinem Fall zu seinen Verfügungen eine gerichtliche Genehmigung braucht, insbesondere nicht gemäß §§ 1821, 1822 BGB, bedarf der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen nach dieser hier abgelehnten Ansicht eine solche nach § 1821 Nr. 1 BGB.

[12] BGHZ 57, 84 = NJW 1971, 2264 und h.M. im Schrifttum; a.A. Kegel, Festschrift für Richard Lange, 1976, S. 927, 935; Neuschwander, BWNotZ 1978, 93, 94; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, 5. Aufl., § 31 VI 2 b S. 703/704; Soergel/Damrau, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn 78.
[13] Vgl. BGH NJW 1984, 2464 = JR 1985, 104 m. Anm. Damrau.
[14] Zum Begriff der Verfügung siehe BGHZ 1, 294, 304. "Die unmittelbare Einwirkung auf ein bestehendes Recht." Anschaulicher siehe: Staudinger/Reimann, BGB, 2016, § 2205 Rn 59.

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