Rz. 31

Im Rahmen der Vertretung mehrerer quotengleicher Pflichtteilsberechtigter besteht in der Praxis grundsätzlich keine Interessenkollision. Vielmehr sind sich die Pflichtteilsberechtigten, da alle enterbt sind, weitestgehend einig und vertreten insoweit die gleichen Interessen gegenüber dem oder den Erben. Um aber sicherzugehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt keine unerwarteten Sachverhaltsinformationen zutage treten, die eine Interessenkollision bewirken, sollte der Anwalt bereits im Vorgespräch klären, ob einer der Pflichtteilsberechtigten ausgleichungspflichtige Vorempfänge nach § 2316 BGB erhalten hatte. Ist dies der Fall, sollte lieber auf die Vertretung weiterer Pflichtteilsberechtigter verzichtet werden, da sich etwa im Rahmen der Ausgleichung nach §§ 2316, 2050 ff. BGB oder etwaige zu beachtende Eigengeschenke nach § 2327 BGB zwangsläufig Auswirkungen auf die Pflichtteilsermittlung des anderen Berechtigten ergeben.

 

Rz. 32

Die materiell-rechtliche Frage, wann eine Ausgleichung bzw. eine Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgt, ist hier in einer Vorprüfung zu klären.[23]

 

Rz. 33

Eine Interessenkollision aufgrund unterschiedlicher Vermögensinteressen kann sich in solchen Fällen auch aus der Frage ergeben, ob sich einer der Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2315 BGB Geschenke oder andere Zuwendungen auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss.

 

Rz. 34

 

Beispiele

Eine Interessenkollision besteht beispielsweise, wenn ein Anwalt einen Miterben und einen Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erwerber eines Grundstücks, das dieser vom Erblasser lebzeitig übertragen erhalten hat, vertritt. Die Interessenkollision ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Pflichtteilsberechtigte und der Miterbe sich über das Bestehen des Pflichtteilsrechts einig sind und beide gleichermaßen ein Interesse daran haben, dass der Eigentumsübergang rückgängig gemacht wird. Die Interessenkollision ergibt sich hier bereits aus der Tatsache, dass der Anwalt beide Parteien in ein und demselben Rechtsverhältnis vertritt, nämlich den Erben als Schuldner und den Pflichtteilsberechtigten als Gläubiger.

Darüber hinaus sah es der BGH als schädlich an, wenn ein Rechtsanwalt anlässlich desselben Erbfalls zwei Kinder bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen gegen deren Mutter vertritt und gleichzeitig die Mutter bei der Abwehr von Nachlassforderungen.[24]

[23] Vgl. zum Ganzen Kerscher/Riedel/Lenz, § 8 Rn 1 ff. sowie Rn 30 ff.

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