I. Mehrere Abmahnungen

1. Leitsatz: BGH, Urt. v. 6.6.2019 – I ZR 150/18

 

Rz. 3

Der Novembermann

Lässt der Rechtsinhaber gegenüber unterschiedlichen, rechtlich oder wirtschaftlich nicht verbundenen Unternehmen oder Personen in engem zeitlichem Zusammenhang getrennte, im Wesentlichen gleichlautende Abmahnungen wegen des rechtswidrigen Vertriebs von Vervielfältigungsstücken derselben Werke aussprechen, die aus derselben Quelle stammen, so können diese Abmahnungen eine Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG darstellen.

2. Leitsatz: BGH, Urt. v. 22.1.2019 – VI ZR 402/17

 

Rz. 4

a) Dem Geschädigten steht ein Erstattungsanspruch im Hinblick auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur dann zu, wenn er im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist (st. Rspr., Senat, Urt. v. 21.6.2011 – VI ZR 73/10 Rn 8 m.w.N.).

b) Eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit kann auch dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt einheitlich mit der Abwehr von inhaltlich übereinstimmenden Folgeberichterstattungen verschiedener Schädiger beauftragt wird.

3. Leitsatz: BGH, Urt. v. 27.7.2010 – VI ZR 261/09

 

Rz. 5

a) Wird ein Rechtsanwalt beauftragt, gegen eine unrichtige Presseberichterstattung vorzugehen, so kann eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit auch dann vorliegen, wenn durch die unrichtigen Äußerungen sowohl eine GmbH als auch deren Geschäftsführer betroffen sind und sich die für die Betroffenen ausgesprochenen Abmahnungen sowohl gegen den für das Printprodukt verantwortlichen Verlag als auch gegen die für die Verbreitung der Berichterstattung im Internet Verantwortlichen richten.

b) Sind durch eine falsche Berichterstattung eine GmbH und ihre Geschäftsführer in gleicher Weise betroffen und sollen sich die Abmahnungen wegen der wortgleichen Berichterstattung an den Verlag der Printausgabe, an die Domaininhaberin sowie an die Betreiberin des Online-Angebots richten, wird die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer getrennten Beauftragung derselben Anwaltssozietät und einer getrennten anwaltlichen Bearbeitung in der Regel jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn die Abmahnungen ohne weiteren Aufwand zu Unterlassungserklärungen der für die Berichterstattung Verantwortlichen führen und die Sache bis dahin ohne weiteres als eine Angelegenheit bearbeitet werden kann.

4. Anmerkung

 

Rz. 6

Auch in weiteren Entscheidungen hat der BGH die getrennt verfolgte Abmahnung verschiedener Verletzungshandlungen als nicht notwendig und damit die Mehrkosten gegenüber einem einheitlichen Vorgehen als nicht erstattungsfähig angesehen, so u.a. bei

Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Wort- und Bildberichterstattung (BGH, Urt. v. 12.7.2011 – VI ZR 214/10),
Unterlassungsansprüchen gegen den Autor und den Verlag (BGH, Urt. v. 5.10.2010 – VI ZR 152/09),
Unterlassungsansprüchen gegen den für die Verbreitung durch ein Druckerzeugnis verantwortlichen Verlag und gegen die Verantwortlichen für die Verbreitung durch eine Online-Berichterstattung (BGH, Urt. v. 19.10.2010 – VI ZR 237/09),
persönlichkeitsrechtsverletzender Presseberichterstattung durch zwei durch dieselbe Veröffentlichung Betroffene (BGH, Beschl. v. 11.9.2012 – VI ZB 60/11).

II. Mehrere Ansprüche

1. Leitsatz: BGH, Urt. v. 29.10.2020 – IX ZR 264/19

 

Rz. 7

Wird der Rechtsanwalt vom Mandanten im engen zeitlichen Zusammenhang zur Trennung und zur Entscheidung, sich scheiden zu lassen, beauftragt, ihn gegenüber seinem Ehepartner wegen der finanziellen Folgen von Trennung und Scheidung außergerichtlich zu vertreten und mit ihm eine außergerichtliche Vereinbarung zu treffen, kann er in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit tätig sein, wenn er außergerichtlich Verhandlungen mit dem Verfahrensbevollmächtigten des Ehepartners führt.

2. Leitsatz: BGH, Urt. v. 17.11.2015 – VI ZR 492/14

 

Rz. 8

Bei der Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen liegt regelmäßig nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG vor.

III. Mehrere Auftraggeber

1. Leitsatz: BGH, Urt. v. 21.6.2011 – VI ZR 73/10

 

Rz. 9

Dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG kann auch vorliegen, wenn mehrere Auftraggeber einen Rechtsanwalt an unterschiedlichen Tagen beauftragen.

2. Leitsatz: BSG, Urt. v. 2.4.2014 – B 4 AS 27/13 R

 

Rz. 10

Bei mehreren Auftraggebern einer Bedarfsgemeinschaft kann "dieselbe" Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände auch dann vorliegen, wenn die Aufhebung und Erstattung der individuellen Ansprüche in getrennten Bescheiden geregelt wird und mit jeweils gesonderten Vollmachten selbstständige Widersprüche eingelegt werden.

IV. Gerichtliche Verfahren

1. Leitsatz: BGH, Beschl. v. 20.11.2019 – XII ZB 63/19

 

Rz. 11

a) Wird eine Sache im Rechtsmittelverfahren an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen oder abgegeben, so ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht gemäß § 20 S. 2 RVG auch gegenüber dem Verfahren des zuerst angerufenen Gerichts eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Eine Anrechnung der Gebühren findet nicht statt.

b) Die Vorschrift des § 20 S. 2 RVG gilt unabhängig davon, ob das ursprünglich angerufene erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit bejaht oder verneint hat.

2. Leitsatz: BGH, Beschl. v. 26.9.2018 – VII ZB 54/16

 

Rz. 12

Die anwaltliche Vertretung in einem Verfahren, das wechselseitige Nichtzulassungsbeschwerden zum Gegenstand hat, stellt in der Regel dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG dar.

3. Leitsatz: BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – V ZB 152/16

 

Rz. 13

a) Das Verfahren über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil und das vorausgegangene Verfahren sind in gebü...

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