Rz. 9

Bei der Zugewinngemeinschaft handelt es sich tatsächlich während bestehender Ehe um eine Gütertrennung mit finanziellem Ausgleich bei deren Beendigung,[2] mit nachfolgenden gesetzgeberischen Grundsatzentscheidungen, die auch durch die Reformen von 2002 bzw. 2009 nicht aufgegeben oder berührt worden sind.

[2] Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn 10.

aa) Getrennte Vermögen, § 1363 Abs. 2 BGB

 

Rz. 10

Grundsätzlich werden die bestehenden Eigentumsverhältnisse auch bei Eheschließung nicht verändert, es entsteht gerade kein gemeinschaftliches Vermögen. Dies gilt sowohl für das bei Eheschließung vorhandene als auch das während bestehender Ehe (hinzu-)erworbene Vermögen. Jede Anschaffung eines Ehegatten stellt sich als Individualerwerb für das eigene Vermögen[3] dar. Ohne ein zugrundeliegendes Rechtsgeschäft erwerben die Ehegatten Vermögen weder gemeinsam noch von einander.

 

Rz. 11

 

Praxistipp

Nur im Falle der Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten kann der andere an dessen Vermögen dinglich beteiligt werden (§ 1371 BGB).

 

Rz. 12

Konsequenterweise gilt der Grundsatz der Vermögenstrennung und des Individualerwerbs auch für Verbindlichkeiten eines Ehegatten. Die §§ 1363 ff. BGB kennen keine (Mit-)Haftung des Ehegatten für Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten bei Eheschließung oder während bestehender Ehe. Daher haftet nur der Ehegatte für alle – seine – Schulden, die er vor oder während der Ehe eingegangen ist, ausschließlich mit seinem Vermögen.

 

Rz. 13

Damit sind die Vermögen der Ehegatten während der Ehe sowohl hinsichtlich Berechtigung als auch Verpflichtung strikt voneinander getrennt. Etwas anderes können die Ehegatten nur durch Rechtsgeschäft untereinander oder mit Dritten, dann auch nur gemeinsam, herbeiführen.

 

Rz. 14

Aus der strikten Trennung der Vermögensmassen der Ehegatten während bestehender Ehe folgt, dass jeder Ehegatte sein Vermögen selbstständig verwaltet, vgl. § 1364 BGB. Dieser Grundsatz wird nur von § 1365 Abs. 1 BGB und § 1369 Abs. 1 BGB durchbrochen, indem ein Ehegatte die Einwilligung des anderen benötigt, wenn er über sein Vermögen im Ganzen oder über Haushaltsgegenstände verfügen will.

 

Rz. 15

 

Praxistipp

Die Verwaltung des eigenen Vermögens durch einen Ehegatten unterliegt neben den §§ 1365 Abs. 1 und 1369 Abs. 1 BGB keinen weiteren Reglementierungen. Insbesondere besteht im Rahmen der Vorschriften über die Zugewinngemeinschaft keine Verpflichtung eines Ehegatten so zu wirtschaften, dass im Falle der Beendigung der Zugewinngemeinschaft ein maximaler Zugewinn erzielt wird.[4]

[3] Klein, FamVermR, Kap. 2 Rn 1339.
[4] Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn 10.

bb) Der eheneutrale Vermögenserwerb

 

Rz. 16

Es gibt im Rahmen der Zugewinngemeinschaft keinen eheneutralen Vermögenserwerb.

Grundsätzlich ist bei Beendigung des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft jeder ab Eheschließung während der Ehe erfolgte Zuerwerb eines Ehegatten an den anderen auszugleichen. Dies gilt völlig unabhängig von der Art oder dem Umfang des Beitrages des jeweiligen Ehegatten zu dieser konkreten Vermögensmehrung.[5]

 

Rz. 17

 

Praxistipp

Der Grundsatz, dass ein eheneutraler Erwerb nicht stattfinden kann, wurde trotz aller Kritik auch nicht im Zuge der Reform aus dem Jahr 2009 geändert oder gar abgeschafft. Daher sind auch Vermögenszuwächse eines Ehegatten aus einem Lottogewinn,[6] aus einer Schmerzensgeldzahlung,[7] einer Unfallabfindung[8] oder einer reinen Wertsteigerung des Anfangsvermögens durch z.B. eine positive Entwicklung eines Wertpapierdepots o. ä.[9] im Rahmen des Zugewinnausgleichs vollumfänglich zu berücksichtigen.

Soweit diese Rechtslage in der Vergangenheit der Kritik ausgesetzt war und noch ist, hat sich der Gesetzgeber offenbar bewusst dahingehend entschieden keine Änderung herbeizuführen. Nach wie vor sind auch solche Vermögensbestandteile eines Ehegatten nicht der Ausgleichspflicht entzogen, die in keinem Zusammenhang mit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft stehen, sondern dem Ehegatten von dritter Seite aufgrund persönlicher Beziehungen oder ähnlicher besonderer Umstände zufließen.[10]

[5] Klein, FamVermR, Kap. 2 Rn 1340 m.w.N.
[6] BGH NJW 2013, 3645; FamRZ 1977, 124.
[7] BGH FamRZ 1991, 755.
[8] BGH FamRZ 1982, 148.
[9] Klein, FamVermR, Kap. 2 Rn 1340 m.w.N.
[10] Vgl. Klein, FamVermR, Kap. 2 Rn 1341.

cc) Die Vermutung gleicher Beiträge zum Vermögenserwerb

 

Rz. 18

Grundsätzlich ist die Ehe als ein gleichberechtigtes Miteinander der Ehegatten anzusehen, in deren Rahmen diese regelmäßig den gleichen Beitrag zum insgesamt während der Ehezeit erwirtschafteten Zugewinn geleistet haben. Daher hat der Ausgleich dergestalt zu erfolgen, dass jedem Ehegatten bei Beendigung des gesetzlichen Güterstands die Hälfte dieses in der Ehe erwirtschafteten Zugewinns zufließt (Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs[11]). Damit ist der Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs unter anderem Ausfluss der nicht widerlegbaren Vermutung, dass die Ehegatten während bestehender Ehe jeweils den gleichen Beitrag zu dem in der Ehe erwirtschafteten Zugewinn geleistet haben.

 

Rz. 19

 

Praxistipp

Es kommt also für den Ausgleich des jeweiligen Zugewin...

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