Rz. 543

Nach dem Wortlaut des § 1375 Abs. 1 S. 1 BGB ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung und Höhe des Endvermögens die Beendigung des Güterstandes. Der gesetzliche Güterstand wird grundsätzlich entweder durch Auflösung der Ehe, in der Regel im Wege der Ehescheidung, oder durch den Tod eines Ehegatten beendet.[785] Abweichend von der allgemeinen Regel des § 1375 Abs. 1 S. 1 BGB gilt allerdings in den Fällen, in denen der Güterstand durch Scheidung der Ehe beendet wird, § 1384 BGB. Die Vorschrift des § 1384 BGB verlegt den Stichtag für die Berechnung des Zugewinns sowie für die Höhe der Ausgleichsforderung bei Ehescheidung auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages vor. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Eheleute gehindert werden sollen, ihren bisherigen Zugewinn im Hinblick auf die bevorstehende Ausgleichung planmäßig zu verschleiern oder zu vermindern, jedenfalls aber, dass der Zugewinnausgleichsberechtigte vor Nachteilen durch solche Maßnahmen geschützt werden soll.[786]

 

Rz. 544

Nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages können Vermögensminderungen demnach die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruches nicht mehr beeinflussen.

"Und wenn zwischen Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags und Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses die Welt unterginge", so Schwab[787] anschaulich, "an der errechneten Zugewinnausgleichsforderung ändert sich nichts mehr."

 

Rz. 545

Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ist somit maßgebend für die Berechnung des Endvermögens nach § 1376 Abs. 2 BGB und nunmehr seit dem Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrecht vom 6.7.2009 auch für die Höhe der Ausgleichsforderung. Dieser Stichtag setzt ferner einen Endtermin für die Berücksichtigung von illoyalen Vermögensminderungen im Sinne des § 1375 Abs. 2 BGB, von privilegiertem Vermögen im Sinne des § 1374 Abs. 2 BGB beim Anfangsvermögen und von Vorausleistungen im Sinne des § 1380 BGB.[788] Der Zeitpunkt der Entstehung der Ausgleichsforderung nach § 1378 Abs. 3 BGB wird davon aber nicht berührt.[789]

 

Rz. 546

Nach § 261 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG tritt die Rechtshängigkeit mit der Zustellung des Scheidungsantrages oder der Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung ein.

Grundsätzlich hat auch die Dauer des Ehescheidungsverfahrens keinen Einfluss auf den Stichtag des § 1384 BGB. Auch wenn ein Scheidungsverfahren über einen langen Zeitraum nicht betrieben wird und ruht, bleibt die Zustellung des Scheidungsantrages als Stichtag maßgeblich, denn die Erwägungen für die Vorschrift des § 1384, dass einerseits vermögensmindernde Dispositionen des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu Lasten des anderen Ehegatten verhindert werden sollen, und andererseits, dass nach Stellung des zur Scheidung führenden Antrags kein sachlicher Grund mehr besteht, einen Ehegatten noch am späteren Vermögenszuwachs des anderen zu beteiligen, behalten auch dann ihr Gewicht.[790]

Wenn es zur Aussetzung oder zum tatsächlichen Stillstand des Scheidungsverfahrens kommt, aber die Ehegatten weiterhin getrennt leben, kann nach Fortsetzung des Verfahrens nicht – aus Billigkeitsgründen – von einem späteren Ehezeitende ausgegangen werden.[791] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann nach der Rechtsprechung des BGH allenfalls nur dann durch das Gebot von Treu und Glauben in Betracht kommen, wenn die Ehesache nach erfolgter Aussöhnung in Vergessenheit geraten war oder die eheliche Lebensgemeinschaft in der Zwischenzeit langfristig wieder aufgenommen worden ist.[792] Allerdings ist auch dann auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahren abzustellen, wenn sich die Ehegatten zwar zwischenzeitlich versöhnt oder auf die Nichtfortführung des Scheidungsverfahrens verständigt haben, den Scheidungsantrag aber nicht zurückgenommen haben.[793]

 

Rz. 547

Auch wenn ein Ehegatte einen neuen Scheidungsantrag stellt, bleibt der erste Stichtag bestehen. Der erste Scheidungsantrag kann nämlich nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgenommen werden, wenn dessen Prozessbevollmächtigter im Verhandlungstermin den Standpunkt seiner Partei zum Scheidungsbegehren zu erkennen gegeben und damit zur Hauptsache verhandelt hat.[794] Der zweite Scheidungsantrag ist wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit als unzulässig abzuweisen. Eine Ausnahme kann diesbezüglich aufgrund Treu und Glaubens nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Ehegatte, der durch den früheren Stichtag benachteiligt wäre, keine rechtliche Möglichkeit mehr hat, das rechtshängige Scheidungsverfahren zu beenden, weil entweder bereits mündlich verhandelt wurde, oder er seinen Scheidungsantrag nach §§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten zurücknehmen kann.[795] Neuer Stichtag ist dann der Zeitpunkt der Wiederaufnahme des ruhenden Verfahrens, der durch die Zustellung des neuen, an sich unzulässigen Scheidungsantrags bestimmt wird.[796]

 

Rz. 548

Wenn innerhalb desselben Scheidungsverfahrens der ursprüngliche Scheidungsantrag zurück...

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