a) Grundsätze

 

Rz. 609

Nachfolgend geht es um die Verteidigung des Schuldners gegen Zugewinnausgleichsansprüche.

Hierbei werden alle Einreden und Einwendungen des Schuldners gegen Zugewinnausgleichsansprüche behandelt. Einreden und Einwendungen können Ansprüche des Gegners verhindern, zerstören oder hemmen. Demgemäß wird unterschieden zwischen

rechtshindernden Einwendungen,
rechtsvernichtenden Einwendungen und
rechtshemmenden Einwendungen (= Einreden).

Einwendungen müssen von Amts wegen beachtet werden. Einreden müssen vom Berechtigten ausdrücklich erhoben werden. Da der Zivilprozess ein Parteiprozess ist und der Beibringungsgrundsatz gilt, darf das Gericht auf die Möglichkeit der Erhebung einer Einrede nicht von sich aus hinweisen, eine Einrede muss ausdrücklich erhoben werden: Selbst wenn also aus dem Sachvortrag ersichtlich ist, dass ein Anspruch verjährt ist, darf das Gericht das weder von Amts wegen berücksichtigen noch einen Hinweis dazu erteilen. Vielmehr muss die Partei selbst die rechtsgestaltende Einrede erheben.

b) Einzelne Einwendungen/Einreden

aa) Anrechnung von Vorausempfängen, § 1380 BGB

(1) Allgemeines

 

Rz. 610

Bei der Anrechnung von Vorausempfängen nach § 1380 BGB handelt sich um eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Der Ausgleichspflichtige muss den zugrundeliegenden Sachverhalt substantiiert vortragen.

 

Rz. 611

§ 1380 Abs. 1 S. 1 bestimmt, dass auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet wird, was ihm von dem anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet ist, dass es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll.

 

Rz. 612

§ 1380 Abs. S. 2 BGB beinhaltet eine Vermutungsregel ("im Zweifel") dafür, dass solche Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn nichts anderes geregelt ist und der Wert der Zuwendung den Wert von Gelegenheitsgeschenken, die nach den ehelichen Lebensverhältnissen üblich sind, übersteigt.

 

Rz. 613

Grundsätzlich soll diese Bestimmung dafür sorgen, dass Zuwendungen unter den Beteiligten, die vor dem Stichtag des Endvermögens erfolgt sind, in die Berechnung des Zugewinnausgleichs mit einbezogen werden. Damit beinhaltet diese Norm eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip im Zugewinnausgleich. Sie ist Ausfluss des allgemeinen Gerechtigkeitsgedankens.

(2) Anwendungsbereich

 

Rz. 614

§ 1380 BGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers besteht, auf die ein Vorausempfang angerechnet werden kann.[873] Der Vorausempfang muss vom Ausgleichspflichtigen geleistet worden sein; Zuwendungen Dritter bleiben außer Betracht. Zuwendungen des Ausgleichsberechtigten bleiben ebenfalls außer Betracht.[874]

[873] BGH NJW 1982, 1093 – 1095; FamRZ 1982, 246 – 249.
[874] BGH NJW 1982, 1093 – 1095; FamRZ 1982, 246 – 249.

(3) Voraussetzungen nach § 1380 BGB

 

Rz. 615

Der Begriff der Zuwendung im Sinne von § 1380 Abs. 1 S. 1 BGB besagt, dass kein Anspruch auf das Zugewendete bestanden hat. Er umfasst damit nur freiwillige Leistungen ohne Gegenleistung,[875] also sowohl Schenkungen nach § 516 BGB als auch unbenannte Zuwendungen.[876] Ob diese Zuwendungen den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigen, die nach den Lebensverhältnissen der Parteien üblich waren, ist im Einzelfall konkret anhand der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Lebensstils der Beteiligten zu prüfen.[877] Bei gemischten Schenkungen ist der geschenkte Teil als Vorausempfang anrechenbar.[878]

 

Rz. 616

Es muss sich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handeln; Verfügungen von Todes wegen bleiben dabei also unberücksichtigt.

 

Rz. 617

Die Anrechnungsbestimmung muss vor oder bei der Zuwendung getroffen werden; eine nachträgliche Bestimmung ist unwirksam. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Es handelt sich bei der Anrechnungsbestimmung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form unterliegt. In der Praxis ist der Nachweis häufig nur schwer zu erbringen, da mündliche Anrechnungsbestimmungen, wenn dazu überhaupt etwas gesagt wurde, überwiegen. Meist machen sich die Beteiligten bei solchen Zuwendungen darüber aber keine Gedanken. Dann kommt eine Anrechnung zunächst nicht in Betracht. Der Anwalt sollte dies im Mandantengespräch möglichst genau aufklären; er sollte sich aber davor hüten, den Sachverhalt im Sinne des Mandanten zu "verbiegen". Konkludente Bestimmungen unterliegen den gleichen Beweisschwierigkeiten; die Umstände sollten deshalb so detailliert wie möglich vorgetragen werden. Der Zuwendende muss sich bei konkludenter Bestimmung bis zur Zuwendung so verhalten haben, dass der Zuwendungsempfänger dies spätestens bei der Zuwendung als Bestimmung deuten musste.[879]

Unabhängig davon hilft aber die Vermutungsregel in der Praxis weiter.

[875] BGH NJW 1983, 1113 – 1114; FamRZ 1983, 351 – 352.
[876] BGH NJW-RR 2001, 793 – 794; FamRZ 2001, 413 – 414.
[877] OLG Köln FamRZ 1998, 1515 – 1516.
[878] BGH NJW 2008, 2529 – 2594; FamRZ 2008, 231 – 233; JurionRS 2008, 14760 Rn 30: für den Fall der Zuwendung einer gemischten Schenkung im Anfangsvermögen gem. § 1374 Abs. 2 BGB.
[879] OLG Köln NJW-RR 2008, 240 – 243; JurionRS 2007, 47214: für den Fall der Anrechnungsbestimmung i...

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