Rz. 620

Die Berechnung des Zugewinnausgleichs bei Vorausempfängen erfolgt in vier Schritten, wobei zwei weitere, aus dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar zu entnehmende Regeln zu beachten sind:[885]

Erster Schritt: Der Wert der Zuwendung wird dem Zugewinn des zuwendenden Ehegatten hinzugerechnet.

Der Wert der Zuwendung ist nicht dem Anfangsvermögen des Zuwendungsempfängers hinzuzurechnen und
der Wert der Zuwendung darf nicht beim Endvermögen des Zuwendungsempfängers zusätzlich angesetzt werden.
Zweiter Schritt: Der Wert der Zuwendung wird vom Zugewinn des Zuwendungsempfängers abgezogen.
Dritter Schritt: Die vorläufige Ausgleichsforderung wird berechnet.
Vierter Schritt: Der Wert der Zuwendung wird auf die vorläufige Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers angerechnet.
 

Rz. 621

Im Folgenden soll anhand von einfachen Beispielsrechnungen der Zugewinn unter Berücksichtigung von Vorausempfängen dargestellt werden. Der Beispielsfall und die erste Abwandlung zeigen die Grundsätze der Anrechnung ohne Indexierung. Die zweite und dritte Abwandlung zeigen die Varianten bei "erhöhten Zuwendungen". In der vierten Abwandlung wird die Auswirkung der Indexierung zugunsten des Ausgleichspflichtigen deutlich.

 

Rz. 622

 

Beispiel

Anfangsvermögen M: 0 EUR; Anfangsvermögen F: 0 EUR; Endvermögen M: 200.000 EUR; Endvermögen F: 100.000 EUR; Schenkung des M an F mit Anrechnungsbestimmung während der Ehe: 50.000 EUR.

Lösung des Ausgangsfalles

 
1. Ohne Berücksichtigung von § 1380 BGB  
Zugewinn M: 200.000 EUR
Zugewinn F: 100.000 EUR
Differenz: 100.000 EUR
Ausgleichsforderung der F gegen M: ½ hiervon: 50.000 EUR
2. Mit Berücksichtigung von § 1380 BGB  
Zugewinn M: 200.000 EUR
1. Schritt  
Hinzurechnung des Wertes der Zuwendung, § 1380 BGB: + 50.000 EUR
Gesamter Zugewinn M: 250.000 EUR
2. Schritt  
Zugewinn F: 100.000 EUR
Abzüglich des Wertes der Zuwendung: – 50.000 EUR
Gesamter Zugewinn F: 50.000 EUR
3. Schritt  
Vorläufige Ausgleichsforderung der F gegen M: 100.000 EUR
4. Schritt  
Anrechnung des Wertes der Zuwendung auf den Ausgleichsbetrag: – 50.000 EUR
Ergebnis  
Ergibt den um die Zuwendung bereinigten Zugewinnausgleich mit 50.000 EUR

Dieses Ergebnis zeigt, dass sich der Vorausempfang für die Berechnung nicht auswirkt, wenn das Endvermögen des Zuwendungsempfängers wertmäßig mindestens den Wert des Vorausempfangs ausmacht oder höher ist. In diesem Fall muss eine Berechnung nach § 1380 BGB nicht durchgeführt werden.

 

Rz. 623

 

1. Abwandlung des Beispiels

Anfangsvermögen M: 0 EUR; Anfangsvermögen F: 0 EUR; Endvermögen M: 200.000 EUR; Endvermögen F: 30.000 EUR; Schenkung des M an F mit Anrechnungsbestimmung während der Ehe: 50.000 EUR

Lösung der 1. Abwandlung

 
1. Ohne Berücksichtigung von § 1380 BGB  
Zugewinn M: 200.000 EUR
Zugewinn F: 30.000 EUR
Differenz: 170.000 EUR
Ausgleichsforderung der F gegen M: ½ hiervon: 85.000 EUR
2. Mit Berücksichtigung von § 1380 BGB  
Zugewinn M: 200.000 EUR
1. Schritt  
Hinzurechnung des Werts der Zuwendung, § 1380 BGB: + 50.000 EUR
Gesamter Zugewinn M: 250.000 EUR
2. Schritt  
Zugewinn F: 30.000 EUR
Abzüglich des Wertes der Zuwendung: – 50.000 EUR
Gesamter Zugewinn F: – 20.000 EUR
Der Zugewinn darf nicht negativ sein, also 0 EUR
3. Schritt  
Vorläufige Ausgleichsforderung der F gegen M: 125.000 EUR
4. Schritt  
Anrechnung des Werts der Zuwendung auf den Ausgleichsbetrag – 50.000 EUR
Ergebnis der 1. Abwandlung  
Ergibt den um die Zuwendung bereinigten Zugewinnausgleich mit: 75.000 EUR

Wenn der Zugewinn auch negativ sein dürfte, würde sich die Berechnung nach § 1380 BGB erübrigen; hätte also der Gesetzgeber bei der Neuregelung ab 1.9.2009 ein negatives Endvermögen eingeführt, hätte er § 1380 BGB abschaffen können; diese Überlegung spricht dafür, weiterhin ein negatives Endvermögen nicht anzuerkennen. Zudem gewährleistet diese Berechnung nach § 1380 BGB die beabsichtigte Ausnahme vom Stichtagsprinzip im Zugewinnausgleich zugunsten des allgemeinen Gerechtigkeitsgedankens.

 

Rz. 624

Das Beispiel und die erste Abwandlung zeigen, dass § 1380 BGB zu einer Korrektur der Ergebnisse des Zugewinnausgleichs nach dem Stichtagsprinzip führt, wenn der Wert des Endvermögens des Zuwendungsempfängers geringer als der Wert des Vorausempfangs ist. Ist der Zuwendende nicht zugewinnausgleichspflichtig, erfolgt keine Anrechnung oder Verrechnung der Zuwendung im Zugewinnausgleich.

 

Rz. 625

 

2. Abwandlung des Beispiels: Überhöhte Zurechnung nach OLG Frankfurt[886]

Anfangsvermögen M: 0 EUR; Anfangsvermögen F: 0 EUR; Endvermögen M: 100.000 EUR; Endvermögen F: 200.000 EUR; Schenkung des M an F mit Anrechnungsbestimmung während der Ehe: 150.000 EUR.

Lösung der 2. Abwandlung

 
1. Mit Berücksichtigung von § 1380 BGB  
Zugewinn M: 100.000 EUR
1. Schritt  
Hinzurechnung des Wertes der Zuwendung: + 150.000 EUR
Gesamter Zugewinn M: 250.000 EUR
2. Schritt  
Zugewinn F: 200.000 EUR
Abzüglich des Wertes der Zuwendung: – 150.000 EUR
Gesamter Zugewinn F: 50.000 EUR
3. Schritt  
Vorläufige Ausgleichsforderung der F gegen M: 100.000 EUR
4. Schritt: ...

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