a) Normzweck

 

Rz. 745

Zweck der Regelung des § 1365 BGB ist primär, die wirtschaftliche Grundlage der Ehe und der Familiengemeinschaft zu wahren.[994]

Daneben dient die Norm aber auch dem Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten wegen seines zukünftigen Rechts auf Zugewinnausgleich.[995]

Dieser weitergehende Schutzzweck des § 1365 BGB hat insbesondere dann nicht unerhebliche Bedeutung, wenn eine bestehende Ehe während eines gerade stattfindenden Gesamtvermögensgeschäfts aufgelöst wird oder wenn nach rechtskräftiger Scheidung und noch anhängigem Zugewinnausgleichsverfahren durch einen der Ehegatten ein Gesamtvermögensgeschäft vorgenommen wird.[996]

 

Rz. 746

Der Schutzzweck der Norm entfaltet sich auch dann, wenn abzusehen ist, dass der verfügende Ehegatte im Fall eines theoretisch möglichen Zugewinnausgleichsverfahrens letztendlich nicht zugewinnausgleichspflichtig wäre oder aber wenn die Verfügung wegen Überschuldung des verfügenden Ehegatten einem Dritten gar nicht zugutekommen würde.[997]

 

Rz. 747

§ 1365 BGB ist als absolutes Veräußerungsverbot ausgestaltet.[998] Die dogmatische Einordnung als absolutes Veräußerungsverbot folgt aus dem Normzweck, denn nur bei absoluter Unwirksamkeit von Vermögenstransaktionen kann die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage einer Familie ausgeschlossen werden.

 

Rz. 748

§ 1365 gilt, solange der Güterstand besteht. Soweit ein unter § 1365 fallendes Rechtsgeschäft vor rechtskräftiger Scheidung vorgenommen wurde, bleibt es zustimmungsbedürftig, auch wenn zwischenzeitlich die Scheidung rechtskräftig erfolgt ist.[999]

[994] BGHZ 135, 137.
[995] H.M., so BGHZ 143, 356, 359 = FamRZ 2000, 744; Staudinger/Thiele, § 1365 Rn 2; MüKo/Koch, § 1365 Rn 1, 2.
[996] Staudinger/Thiele, § 1365 Rn 2.
[997] BGH FamRZ 200, 744.
[998] St. Rspr. seit BGHZ 40, 218 = NJW 1964, 367; Staudinger/Thiele, § 1365 Rn 99; Müko/Koch, § 1365 Rn 4.
[999] OLG Saarbrücken FamRZ 1987, 1248.

b) Objektiver Tatbestand

aa) Vermögen

 

Rz. 749

Gegenstand einer in § 1365 BGB geschützten Verfügung muss das Vermögen eines Ehegatten im Ganzen sein. Für § 1365 BGB ist der "juristische" Vermögensbegriff, der nur die Aktiven erfasst, zugrunde zu legen.[1000]

Ein Rechtsgeschäft über das Vermögen im Ganzen liegt jedenfalls dann vor, wenn Geschäftsgegenstand das Vermögen als Inbegriff ist und sich die die Parteien darüber einig sind, dass es sich um das ganze Vermögen handelt.[1001]

 

Rz. 750

In der Praxis durchgesetzt hat sich die sogenannte Einzeltheorie.[1002] Danach erfasst § 1365 BGB auch Rechtsgeschäfte über einzelne Gegenstände, die objektiv das ganze oder im Wesentlichen das ganze Vermögen des beteiligten Ehegatten ausmachen. Selbst wenn ein einzelner Gegenstand annähernd das gesamte Vermögen eines Ehegatten darstellt, ist § 1365 BGB nur anwendbar, wenn dieser Gegenstand auch von einigem Wert ist.[1003] Gering werthaltige Wirtschaftsgüter können weder wirtschaftliche Grundlage der Ehe und Familie sein, noch als Vermögen im Sinne des Vermögensbegriff des § 1365 BGB angesehen werden.

 

Rz. 751

Mit der oben dargestellten Einzeltheorie geht einher, dass auch Rechtsgeschäfte über einen singularen Gegenstand, über mehrere Gegenstände oder aber einen isolierten Vermögensbegriff auf eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen gerichtet sein können. Der Gegenstand des Geschäfts muss nur tatsächlich das ganze oder doch beinahe das ganze Vermögen ausmachen.[1004]

 

Rz. 752

Ein Geschäft über das Vermögen als Ganzes liegt nach ständiger Rechtsprechung auch dann noch vor, wenn dem am Geschäft beteiligten Ehegatten Vermögensgegenstände verbleiben, die von untergeordneter Bedeutung zum Wert des Gesamtvermögensgeschäfts sind oder wenn ihm noch Vermögenswerte verbleiben, die von verhältnismäßig geringem Wert sind. Zu vergleichen ist die Relation der objektiven Werte.[1005]

 

Rz. 753

Entscheidend ist das Verhältnis der Werte des von dem Rechtsgeschäft erfassten und des nicht erfassten Vermögens. Abzustellen ist auf die objektiven Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts, nicht aber auf die individuellen Wertverhältnisse in der Hand des verfügenden Ehegatten.[1006] Im Rahmen des anzustellenden Wertvergleichs zwischen dem veräußertem und dem verbleibendem Vermögen ist eine zahlenmäßige Relation vorzunehmen. Rechtsprechung und Literatur haben diesbezüglich variierende Prozentsätze entwickelt.

So werden Geschäfte bei kleineren Vermögen, die nicht mehr als 85 % des gesamten Vermögens ausmachen, für zustimmungsfrei erklärt, bei größerem Vermögen sieht die Rechtsprechung Geschäfte erst dann als zustimmungsverpflichtend an, wenn sie mehr als 90 % des gesamten Vermögens betreffen.[1007]

 

Rz. 754

Damit sind bei kleineren Vermögen Rechtsgeschäfte zustimmungsfrei, wenn dem verfügenden Ehegatten zumindest 15 % seines Gesamtvermögens verbleiben, größeren Vermögen werden mindestens 10 % zurückbleiben müssen.[1008]

 

Rz. 755

Etwaige am Verfügungsobjekt bestehende Lasten, insbesondere Pfandrechte bei Immobilien, sind bei der Feststellung der Wertrelation von übertragenen und verbliebenen Vermögen zu berücksichtige...

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