Rz. 632

Es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einrede, die vom Schuldner geltend zu machen ist;[897] selbst wenn der Schuldner konkret den Sachverhalt darlegt, aus dem sich die Voraussetzungen der groben Unbilligkeit ergeben, darf das Gericht den Ausgleichsanspruch nicht nach § 1381 Abs. 1 BGB ausschließen, wenn sich der Schuldner nicht ausdrücklich darauf beruft. Auch ein Hinweis darauf ist dem Gericht nicht gestattet,[898] so dass ein fehlender Hinweis hierauf ein Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung nicht begründen kann. Wenn sich also Anhaltspunkte für eine grobe Unbilligkeit ergeben, sind diese detailliert vorzutragen, unter Beweis zu stellen und die Einrede ist ausdrücklich zu erheben.

 

Rz. 633

§ 1381 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern kann, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre.

Damit soll die abstrakt und schematisch ermittelte Ausgleichsforderung auch an die Einzelfallgerechtigkeit herangeführt werden. Die notwendigerweise abstrakte, allgemeine Regelung des Zugewinnausgleichs führt ja zunächst – wie jede allgemeine, generalisierende Regelung – in der Anwendung dazu, dass die sich daraus im Einzelfall ergebende Rechtsfolge als ungerecht empfunden werden kann. Es handelt sich deshalb bei dieser Vorschrift um eine Korrektur des Ergebnisses des Zugewinnausgleichs unter Billigkeitsgesichtspunkten. § 1381 Abs. 1 BGB ist damit eine Ausnahmevorschrift.

 

Rz. 634

Zunächst einmal ist festzustellen, dass dieser Ausnahmetatbestand nur zugunsten des Ausgleichsschuldners anzuwenden ist; eine Anwendung zugunsten des Anspruchsgläubigers auf Erhöhung der Ausgleichsforderung aus Billigkeitsgesichtspunkten ist nicht zulässig, auch nicht im Wege der Analogie.[899]

 

Rz. 635

In diesem Regel – Ausnahmeverhältnis stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen für die grobe Unbilligkeit. Nicht jede Ungerechtigkeit soll damit behoben werden können. Vielmehr sollen nur solche Ausnahmefälle, die dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen, die sich in besonders gelagerten Fällen aus der schematischen Anwendung der Vorschriften zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs ergeben können,[900] korrigiert werden können.

 

Rz. 636

Der Gesetzgeber hat durch die Beispiele in § 1381 Abs. 2 BGB näher verdeutlicht, ob und wann dies der Fall sein kann; diese Beispiele betreffen allein die Pflichten der Eheleute auf wirtschaftlichem Gebiet.[901]

 

Rz. 637

Das in § 1381 Abs. 2 enthaltene Verschuldensprinzip (schuldhaft) muss bei Anwendung der Generalklausel nach § 1381 Abs. 1 BGB (grobe Unbilligkeit) nicht stets und ausnahmslos vorliegen,[902] so dass auch verschuldensunabhängige Tatbestände von der Generalklausel erfasst werden können.

 

Rz. 638

Wenn eine Stundung der Forderung gem. § 1382 BGB ausreichend den Interessen des Ausgleichspflichtigen gerecht wird, kommt ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB nicht in Betracht.[903]

 

Rz. 639

Schließlich verdrängt § 1381 BGB als spezielle Regelung die allgemeine Generalklausel des § 242 BGB.[904] Dies gilt natürlich nur im Anwendungsbereich des § 1381 BGB (Einrede zugunsten des Ausgleichungspflichtigen); § 242 BGB ist deshalb zugunsten des Ausgleichsberechtigten bei Fehlverhalten des Ausgleichspflichtigen anwendbar, zumal § 1381 BGB auch nicht analog zugunsten des Ausgleichsberechtigten anzuwenden ist.[905] Dies gilt aber nur, wenn über die speziellen Vorschriften des Güterrechts, §§ 1375 Abs. 2, 1383 BGB eine Korrektur nicht möglich ist und das Ergebnis sonst unerträglich wäre. Nur zur Korrektur schlechthin unangemessener und untragbarer Ergebnisse kann der Rückgriff auf § 242 BGB geboten sein.[906]

 

Rz. 640

Alle Umstände, die bis zum maßgeblichen Stichtag (Zustellung des Scheidungsantrags) entstanden sind, werden jedenfalls berücksichtigt. Umstände zwischen dem Stichtag und der Entstehung des Anspruchs (mit rechtskräftiger Ehescheidung) bleiben grundsätzlich unberücksichtigt; dies ergibt sich schon aus § 1384 BGB, wonach auch Vermögensveränderungen nach dem Stichtag keine Rolle mehr spielen[907] und aus der Formulierung in § 1381 Abs. 2 BGB: "… die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben…". Da aber § 1381 BGB nur zur Anwendung kommt, soweit das Ergebnis unerträglich wäre, ist es ausnahmsweise nicht ausgeschlossen, dass Umstände zwischen dem Stichtag und der Rechtskraft der Entscheidung[908] und sogar Umstände nach rechtskräftiger Entscheidung berücksichtigt werden, wenn das Fehlverhalten besonders krass ist oder sonst unter den Ehepartnern besonders belastenden Umständen geschieht.[909]

 

Rz. 641

 

Praxistipps

1. Gibt der Sachverhalt, den der Mandant schildert, Hinweise darauf, dass eine grobe Unbilligkeit vorliegen könnte?

In diesem Fall muss genau nachgefragt werden, um alle Umstände des Einzelfalles für den Sachvortrag schildern (Darlegungslast des Ausgleichspflichtigen) und unter Beweis stellen (Beweislast des Ausgleichspflichtigen) zu kö...

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