Rz. 142

 

§ 102 Erbrechtliche Angelegenheiten

"(1)" Geschäftswert bei der Beurkundung einer Verfügung von Todes wegen ist, wenn über den ganzen Nachlass oder einen Bruchteil verfügt wird, der Wert des Vermögens oder der Wert des entsprechenden Bruchteils des Vermögens. Verbindlichkeiten des Erblassers werden abgezogen, jedoch nur bis zur Hälfte des Werts des Vermögens. Vermächtnisse und Auflagen werden nur bei Verfügung über einen Bruchteil und nur mit dem Anteil ihres Werts hinzugerechnet, der dem Bruchteil entspricht, über den nicht verfügt wird.
(2) Verfügt der Erblasser außer über die Gesamtrechtsnachfolge daneben über Vermögenswerte, die noch nicht zu seinem Vermögen gehören, jedoch in der Verfügung von Todes wegen konkret bezeichnet sind, wird deren Wert hinzugerechnet. Von dem Begünstigten zu übernehmende Verbindlichkeiten werden abgezogen, jedoch nur bis zur Hälfte des Vermögenswerts. Die Sätze 1 und 2 gelten bei gemeinschaftlichen Testamenten und gegenseitigen Erbverträgen nicht für Vermögenswerte, die bereits nach Absatz 1 berücksichtigt sind.
(3) Betrifft die Verfügung von Todes wegen nur bestimmte Vermögenswerte, ist deren Wert maßgebend; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Bei der Beurkundung eines Erbverzichts-, Zuwendungsverzichts- oder Pflichtteilsverzichtsvertrags gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend; soweit der Zuwendungsverzicht ein Vermächtnis betrifft, gilt Absatz 3 entsprechend.[105] Das Pflichtteilsrecht ist wie ein entsprechender Bruchteil des Nachlasses zu behandeln.
(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die Beurkundung der Anfechtung oder des Widerrufs einer Verfügung von Todes wegen sowie für den Rücktritt von einem Erbvertrag. Hat eine Erklärung des einen Teils nach Satz 1 im Fall eines gemeinschaftlichen Testaments oder eines Erbvertrags die Unwirksamkeit von Verfügungen des anderen Teils zur Folge, ist der Wert der Verfügungen des anderen Teils dem Wert nach Satz 1 hinzuzurechnen.“[106]
 

Rz. 143

Der Gesetzgeber begründet die Regelung wie folgt:

Zitat

"Dieser Vorschlag soll den Geschäftswert für Verfügungen von Todes wegen sowie für Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge regeln. Neu ist hierbei insbesondere die Absicht, Widersprüche zu vermeiden, die sich derzeit aus dem Prinzip des Schuldenabzugs bei Gesamtrechtsnachfolge einerseits und des Bruttoprinzips bei gegenständlicher Zuwendung andererseits ergeben."

§ 102 ist keine abschließende Wertvorschrift für den Bereich der erbrechtlichen Angelegenheiten. Die Vorschrift ist nur anzuwenden, wenn über den gesamten Nachlass, einen Bruchteil oder bestimmte Vermögensgegenstände verfügt wird. In anderen Fällen soll sich der Wert nach § 36 GNotKG-E richten. So ist beispielsweise die isolierte Anordnung einer Testamentsvollstreckung bzw. die Änderung der Person des Testamentsvollstreckers nicht als Verfügung über den Nachlass anzusehen. Ebenso wäre es keine Verfügung über den Nachlass oder über einzelne Vermögenswerte, wenn in einer ergänzenden Verfügung von Todes wegen frühere Verfügungen lediglich erläutert werden.

Absatz 1 soll an die Stelle des § 46 Absatz 4 KostO treten und für Verfügungen von Todes wegen gelten, mit denen zur Gesamtrechtsnachfolge verfügt wird. Die Grundsätze der geltenden Regelung sollen unangetastet bleiben. Neu sind die Regelungen in Satz 2 und 3. Es erscheint sachgerecht, den Abzug von Verbindlichkeiten nur noch bis zur Höhe der Hälfte des Aktivvermögens vorzusehen. Auf die Begründung der Parallelregelung zu Eheverträgen in § 100 GNotKG-E wird verwiesen. Bei der Gestaltung von Verfügungen von Todes wegen verursachen vorhandene Verbindlichkeiten oft einen zusätzlichen Regelungsaufwand und ein höheres Haftungsrisiko. Die Regelung des § 46 Absatz 4 Satz 2 KostO, wonach Erbfall-schulden nicht abzugsfähig sind, wurde nicht ausdrücklich übernommen, da sie nicht erforderlich ist. Maßgeblich ist die Bewertung des Nachlasses im Zeitpunkt der Beurkundung (§ 96 GNotKG-E). Erbfallschulden können in diesem Zeitpunkt naturgemäß nicht entstanden sein. Satz 3 betrifft den Sachverhalt, dass in einer Verfügung von Todes wegen nur über einen Teil des Nachlasses durch Erbeinsetzung verfügt wird, daneben aber die Zuwendung eines bestimmten Gegenstands im Rahmen eines Vermächtnisses erfolgt. In diesem Fall treffen die Geschäftswertvorschriften von Satz 1 und 2 mit den Sachwertvorschriften und dem Schuldenabzugsverbot des § 38 GNotKG-E zusammen. Der Vorschlag sieht vor, dass in diesem Fall zum Wert des Nettonachlassbruchteils der Wert des Vermächtnisses in Höhe des Bruchteils hinzugerechnet wird, der dem Bruchteil entspricht, über den nicht verfügt worden ist.

Beispiel: Der im Rahmen des § 102 Absatz 1 zugrunde zu legende Nachlasswert beträgt 200 000 EUR. Verfügt der Erblasser in seinem Testament lediglich über 1/2 des Nachlasses (100 000 EUR) zugunsten der X und wendet darüber hinaus dem Y im Wege des Vermächtnisses weitere 50 000 EUR zu, so ist der Geschäftswert die Summe aus dem Nachlassbruchteil, über den verfügt wurde (1...

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