Rz. 105

 

Zum Thema

Reiserer "Endlich Schluß mit der "Scheinselbständigkeit!" – Das neue Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit" BB 2000, 94; Reiserer/Freckmann "Scheinselbständigkeit – heute noch ein schillernder Rechtsbegriff" NJW 2003, 180.

 

Rz. 106

 

§ 7 SGB IV-2000 – Beschäftigung[76]

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(4) 1Bei einer erwerbsmäßig tätigen Person, die ihre Mitwirkungspflichten nach § 206 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 196 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch nicht erfüllt, wird vermutet, dass sie beschäftigt ist, wenn mindestens drei der folgenden fünf Merkmale vorliegen:

1. Die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat 630 Deutsche Mark übersteigt;
2. sie ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig;
3. ihr Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten;
4. ihre Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen;
5. ihre Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die sie für denselben Auftraggeber zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.

2Satz 1 gilt nicht für Handelsvertreter, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können.

3Die Vermutung kann widerlegt werden.

 

Rz. 107

Nachdem der Gesetzgeber – jedenfalls im Ansatz – die von ihm geschaffenen Probleme der rechtlichen Regelung der Scheinselbstständigkeit erkannte, wurde der § 7 IV SGB IV rückwirkend (Art. 3 I des Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit[77]) neu gefasst, ohne dass für die tägliche Praxis entscheidende Erleichterungen zu verzeichnen wären.

 

Rz. 108

Scheinselbstständige sind nach der neuen – rückwirkend ab 1.1.1999 – geltenden Legaldefinition des § 7 IV SGB IV-2000 solche Personen, bei denen mindestens 3 der folgenden 5 Kriterien zutreffen:

Keine versicherungspflichtigen Angestellten (§ 7 IV Nr. 1 SGB IV).

Es werden keine eigenen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, dessen Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung 630 DM/325 EUR übersteigt.[78]

Wirtschaftliche Abhängigkeit (§ 7 IV Nr. 2 SGB IV).[79]

I.d.R. wird auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber gearbeitet (es gilt die 5/6-Regel, siehe Rn 115, ferner siehe Rn 101, dort Fn 73).

Typische Arbeitnehmerleistung (§ 7 IV Nr. 3 SGB IV).

Es wird eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung ausgeübt bzw. arbeitnehmertypische Arbeitsleistung erbracht, d.h. der Beschäftigte unterliegt Weisungen des Auftraggebers und ist in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert (§ 7 I SGB IV).

Kein unternehmerisches Auftreten (§ 7 IV Nr. 4 SGB IV).

Die Person tritt nicht unternehmerisch am Markt auf.

Fortführung vorheriger abhängiger Beschäftigung (§ 7 IV Nr. 5 SGB IV).

Die Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die die betreffende Person für denselben Auftraggeber zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.

 

Rz. 109

Sind mindestens 3 Kriterien erfüllt, wird gesetzlich vermutet, dass im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Der Betroffene bzw. sein Auftraggeber hat dann die Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, § 7 IV 3 SGB IV. Die Vermutungsregelung gilt nicht für Handelsvertreter, die im Wesentlichen ihre Tätigkeit frei gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können, § 7 IV 2 SGB IV.

 

Rz. 110

Der Katalog des § 7 IV SGB IV war nach der Gesetzesbegründung allerdings nicht als abschließende Regelung gedacht, vielmehr soll er Raum für weitere Aspekte lassen, die im Einzelfall für ein Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Eine endgültige Beurteilung ergibt sich aus einer Gesamtschau und Gewichtung aller Umstände, § 7a II SGB IV.

[76] § 7 IV SGB IV i.d.F. des Art. 1 Nr. 1 lit. b nach Maßgabe von Art. 3 II Gesetz v. 20.12.1999 BGBl I 2000, 2 m.W.v. 1.1.1999. § 7 IV 1 Nr. 1 SGB IV bleibt gem. Art. 3 I Gesetz v. 20.12.1999 BGBl I 2000, 2 in der am 31.12.1999 geltenden Fassung bis zum 31.3.2000 in Kraft.
[77] BGBl I 2000, 2.
[78] Familienangehörige sind gegenüber der ursprünglichen "Regelung 1999" nunmehr zu berücksichtigen.
[79] Siehe BAG v. 12.12.1999 – 5 AZR 770/98 – r+s 2000, 351 (Abgrenzung des selbstständigen Versicherungsvertreters zum unselbstständigen Arbeitnehmer).

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