(1) Anwendungsbereich

 

Rz. 1241

Das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) gewährt Versorgungsleistungen In- und Ausländern (§ 1 IV – VII OEG), die durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff in Deutschland oder auf einem deutschen Schiff bzw. Flugzeug gesundheitlich zu Schaden gekommen sind (§ 1 I OEG).

 

Rz. 1242

Wurde für den tätlichen Angriff ein Kfz oder ein Anhänger gebraucht, ist das OEG, nicht zuletzt mit Blick auf die Verkehrsopferhilfe (VOH), unanwendbar, § 1 XI OEG. Die in § 7 II StVG ­enthaltene Einschränkung auf Anhänger, die dazu bestimmt sind, von einem Kfz mitgeführt zu werden, enthält das OEG nicht, was aber auf einem gesetzgeberischen Versehen beruhen dürfte.

(2) Konkurrenz

 

Rz. 1243

Opfer von Gewalttaten haben Ansprüche u.a. nach Maßgabe des OEG. Bei Konkurrenz von Arbeitsberührung (Unfall im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder der beamtenrechtlichen Unfallversorgung) und OEG geht der aus der Arbeitstätigkeit herrührende Versicherungsschutz der Versorgung nach dem OEG vor.

 

Rz. 1244

Steht eine Verrichtung sowohl als Beschäftigung als auch als Nothilfe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, geht die Beschäftigungsversicherung vor; es kommt nicht darauf an, welchem Zweck die Tätigkeit vorrangig gedient hat.[778] Der Schutz nach dem OEG hat wie die Versicherung als Unglückshelfer[779] Ausnahmecharakter und ist deshalb gegenüber der Versicherung als Beschäftigter grundsätzlich subsidiär (siehe § 135 I Nr. 5 SGB VII);[780] wo der Schwerpunkt der den Versicherungsschutz begründenden Verrichtung dabei liegt, ist ohne Bedeutung.

[778] BSG v. 18.3.2008 – B 2 U 12/07 R – NJW 2009, 937 = NZS 2009, 227 = NZV 2009, 226 (nur Ls.) = SGb 2009, 422 (Kommt es auf einem Betriebsweg zu einem Verkehrsunfall, gehört es zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers, durch geeignete Maßnahmen zur Absicherung der Unfallstelle die aufgrund der betrieblichen Tätigkeit entstandenen Personen- und Sachschäden gering zu halten und drohende weitere Schäden nach Möglichkeit abzuwenden. Steht eine Verrichtung sowohl als Beschäftigung als auch als Nothilfe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, geht die Beschäftigungsversicherung vor; es kommt nicht darauf an, welchem Zweck die Tätigkeit vorrangig gedient hat.); SG Freiburg v. 24.7.2008 – S 9 U 339/07 – juris (Sind bei einer gemischten Tätigkeit der betriebliche und der eigenwirtschaftliche Zweck für den Versicherten gleichwertig mit der Folge, dass die Tätigkeit bei Entfallen eines der beiden Zwecke – gleich welchen – nicht vorgenommen worden wäre, besteht Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung).
[779] BSG v. 18.3.2008 – B 2 U 12/07 R – NJW 2009, 937 = NZS 2009, 227 = NZV 2009, 226 (nur Ls.) = SGb 2009, 422. BT-Drucks 13/2204, S. 108 (zu § 135).
[780] In diesem Sinne zur Nothilfe (§ 2 I Nr. 13 lit. a oder c SGB VII): BSG v. 14.12.1967 – 2 RU 55/64 – BG 1968, 488 = Breith 1968, 56 = SozR Nr. 46 zu § 537 RVO a.F. Bl Aa 54; BSG v. 24.1.1991 – 2 RU 62/89 – BSGE 68, 119, 121 = HV-Info 1991, 1447 = SozR 3–2200 § 539 Nr. 7 S 26.

(3) Psychischer Schaden

 

Rz. 1245

Die Schädigung kann auch psychischer Natur sein.[781]

 

Rz. 1246

Ansprüche können auch vergleichbar der Schockschadenrechtsprechung bestehen.[782] Eine Anlehnung an die Rechtsprechung der Zivilgerichte ist darin begründet, dass die Ansprüche nach dem OEG wirtschaftlich betrachtet eine Art Ausfallbürgschaft des Staates für die oft nicht durchsetzbaren Ersatzforderungen der Opfer darstellt.[783] Maßgebliches Kriterium für den erforderlichen engen Zusammenhang zwischen der das Primäropfer betreffenden Gewalttat und den psychischen Auswirkungen beim Sekundäropfer ist die zeitliche und örtliche Nähe zum primär schädigenden Ereignis und/oder die personale Nähe zum Primäropfer.[784]

[781] BSG v. 8.8.2001 – B 9 VG 1/00 R – BSGE 88, 240 = Breith 2002, 186 = NJW-RR 2002, 957 = USK 2001–128 (nachgehend Hess LSG v. 23.2.2006 – L 8/5 VG 1328/01 –, dass letztlich nur für einen kurzen Zeitraum einen Anspruch der Hinterbliebenen bejahte).
[782] BSG v. 8.8.2001 – B 9 VG 1/00 R – BSGE 88, 240 = Breith 2002, 186 = NJW-RR 2002, 957 = USK 2001–128.
[783] BSG v. 8.8.2001 – B 9 VG 1/00 R – BSGE 88, 240 = Breith 2002, 186 = NJW-RR 2002, 957 = USK 2001–128 (nachgehend Hess LSG v. 23.2.2006 – L 8/5 VG 1328/01 –) unter Hinweis auf BT-Drucks 7/4614, S. 3 f.
[784] BSG v. 12.6.2003 – B 9 VG 1/02 R – BSGE 91, 107 = NJW 2004, 1477 = NZV 2005, 318 (nur Ls.) (Dass der Schock erst nach einer Latenzzeit von 5 Monaten als Gesundheitsstörung manifest in Erscheinung trat, schloss den Leistungsanspruch konkret nicht aus).

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