Rz. 80

Bei Erbfällen von DDR-Bürgern mit letztem Wohnsitz in der DDR gilt im Zeitraum vor Wirksamwerden des Beitritts am 3.10.1990 (0 Uhr) für die Durchführung von Nachlassverfahren weiterhin das Recht der früheren DDR (Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB). Hier sind zunächst drei Zeitbereiche zu unterscheiden:

1. Erbfälle während der Gültigkeit des (alten) BGB (bis zum 31.3.1966)
2. Erbfälle während der Gültigkeit des Familiengesetzbuches (FGB) der DDR (ab 1.4.1966 bis 31.12.1975)
3. Erbfälle während der Gültigkeit des Zivilgesetzbuches (ZGB) der DDR (ab 1.1.1976 bis 2.10.1990)
 

Rz. 81

Zu Zeitraum 1: Es gelten die allgemeinen Vorschriften des damals noch in beiden deutschen Ländern maßgeblichen BGB in der damaligen, alten Fassung. Diese Konstellationen dürften heute nur noch äußerst selten eine Rolle spielen. Auf die diesbezüglichen besonderen erbrechtlichen Fragen, im Hinblick auf Adoptionen, die nichteheliche Abstammung und das Ehegattenerbrecht wird daher hier aus Gründen der Vereinfachung nicht eingegangen.

 

Rz. 82

Zu Zeitraum 2: Es gelten hinsichtlich des Verwandtenerbrechts die damaligen BGB-Vorschriften mit folgenden, wesentlichen Ausnahmen:

a) In § 9 des Einführungsgesetzes zum Familiengesetzbuch der DDR (FGB) ist eine Annäherung des Erbrechts des nichtehelichen Kindes an das Erbrecht eines ehelichen Kindes vorgesehen. Wörtlich heißt es dort:

Zitat

(1) Ein Kind, das außerhalb der Ehe geboren wurde, erbt beim Tode seines Vaters oder seiner Großeltern väterlicherseits, solange es minderjährig ist, wie ein während der Ehe geborenes Kind.

(2) Nach Abs. 1 erbt auch das im Zeitpunkt des Erbfalles volljährige Kind,

1. wenn es noch unterhaltsbedürftig ist,
2. wenn der Vater bis zur Volljährigkeit das Erziehungsrecht hatte,
3. wenn es während der Minderjährigkeit überwiegend im Haushalt des Vaters gelebt hat oder mit ihm im Zeitpunkt des Erbfalles in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

(3) Das volljährige Kind erbt auch, wenn beim Tode des Vaters dessen Ehefrau, Eltern. während der Ehe geborene Kinder und deren Abkömmlinge nicht mehr leben oder das Erbrecht verloren haben. Lebt nur ein Elternteil des Vaters, so erbt das Kind neben diesem.

(4) Der Vater und seine Verwandten werden nur dann gesetzliche Erben des Kindes, wenn der Vater das Erziehungsrecht für das Kind bis zur Volljährigkeit hatte, wenn es während der Minderjährigkeit überwiegend im Haushalt des Vaters gelebt hat oder zum Zeitpunkt des Erbfalles mit dem Vater in einem gemeinsamen Haushalt lebte.

(5) Durch diese Bestimmung wird die Befugnis des Erblassers, nach den Bestimmungen des Erbrechts letztwillige Verfügungen zu errichten, nicht berührt.

b) Ebenfalls abgeändert gegenüber dem alten BGB war das Ehegattenerbrecht durch § 10 EGFGB wie folgt:

Zitat

(1) Bei Beendigung einer Ehe durch Tod oder Todeserklärung erbt der überlebende Ehegatte wie ein Erbe erster Ordnung neben den Kindern des Erblassers oder deren Abkömmlingen, jedoch mindestens ein Viertel.

(2) Er erbt allein, wenn erbberechtigte Kinder des Erblassers oder deren Abkömmlinge nicht vorhanden sind. War jedoch der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalles den eigenen Eltern unterhaltspflichtig, so sind diese neben dem Ehegatten gesetzliche Erben. In diesem Falle erbt der Ehegatte die Hälfte. Die andere Hälfte geht zu gleichen Teilen auf die Eltern und; wenn nur ein Elternteil erbberechtigt ist, auf diesen über.

(3) Durch diese Bestimmung wird die Befugnis des Erblassers, nach den Bestimmungen des Erbrechts letztwillige Verfügungen zu errichten, nicht berührt.

 

Rz. 83

Zu Zeitraum 3: Zwar gründete das ZGB der DDR auf den wesentlichen Bestimmungen des BGB, dennoch ergaben sich gerade im Erbrecht wesentliche Abweichungen:

a) Der Ehegatte ist neben Kindern ein Erbe der 1. Ordnung und erbt mit diesen zu gleichen Teilen, mindestens jedoch zu ¼. An die Stelle von vorverstorbenen Kindern treten deren Kinder. Sind keine Kinder/Abkömmlinge vorhanden, erbt der Ehegatte als Alleinerbe.
b) Ein nichteheliches Kind ist vollständig einem ehelichen Kind gleichgestellt.
c) Gesetzliche Erbfolge nur bis zur dritten Erbordnung. Darüber hinaus kein Verwandtenerbrecht, sondern nur Fiskuserbrecht (§ 369 ZGB).

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