Rz. 49

Da ein Ehegatte nicht zu den Verwandten im Sinne von § 1589 BGB zählt, stellt in der gesetzlichen Erbfolge das Ehegattenerbrecht eine Besonderheit dar. Obwohl das Ehegattenerbrecht kein Verwandtenerbrecht ist, beeinflusst es die gesetzliche Erbfolge der Verwandten in nicht unerheblichem Maße, ja kann sogar nach § 1931 Abs. 2 BGB bis zur Aufhebung des Erbrechts der Verwandten führen.

1. Einführung – Wer ist ein erbberechtigter Ehegatte?

 

Rz. 50

Erbberechtigter Ehegatte ist die Person, die mit dem Erblasser in rechtsgültiger Ehe verheiratet ist – sofern nicht ein Erbrechtsausschluss nach § 1933 BGB greift. Eine wirksame Ehe liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die Ehe geschieden wurde. Auch eine sogenannte "Nichtehe" die z.B. nicht rechtsgültig (vor einem Standesbeamten) geschlossen wurde, ermöglicht kein Ehegattenerbrecht.[26]

 

Rz. 51

In der Praxis häufig zu beachten ist der in § 1933 BGB aufgeführte Ausschluss des Ehegattenerbrechts. Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Versterbens des Erblassers (in formeller Hinsicht) ein Antrag auf Ehescheidung rechtshängig und (in materiell-rechtlicher Hinsicht) dieser Antrag zur Zeit des Erbfalls begründet war. Eine erst nach Eintritt des Erbfalls erklärte und wirksam gewordene Rücknahme des Ehescheidungsantrags ändert nichts mehr am zuvor bereits kraft Gesetzes eingetretenen Ausschluss des Erbrechts.[27]

Der Nachlasspfleger hat daher die Unterlagen des Erblassers unbedingt auch nach Hinweisen auf z.B. ein laufendes Scheidungsverfahren zu durchsuchen und sollte bei Fündigwerden Rücksprache mit dem Nachlassgericht, insbesondere wegen der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Ehescheidung, nehmen. Die Klärung der Frage, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen zur Ehescheidung vorliegen, dürfte in aller Regel durch das Nachlassgericht und nicht durch den Nachlasspfleger durchzuführen sein. Derartige Fälle sind meist schwierig gelagert und bedürfen weiterer Ermittlungen. Fehlt z.B. lediglich die Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag des Ehegatten, lässt dies schon dessen Erbrecht bestehen.[28]

 

Rz. 52

Bei einer Doppelehe hinterlässt der Erblasser zwei Ehepartner, sofern die Aufhebung der zweiten Ehe nach §§ 1306, 1314 Abs. 1 BGB beim Erbfall nicht zumindest beantragt war (§ 1933 BGB). In diesem Fall dürften beide überlebenden Ehegatten zu Erben berufen sein, sofern nicht die Ausnahme des § 1318 Abs. 5 BGB (Ehegatte kannte bei Eheschließung die Doppelehe und damit die Aufhebbarkeit der Ehe) greift. Die Ehegatten müssen sich bei Doppelehe den gesetzlichen Erbteil untereinander teilen.[29]

[26] MüKo-BGB/Leipold, § 1931 Rn 14.
[27] OLG Naumburg v. 30.3.2015 – 2 Wx 55/14, ZEV 2015, 432.
[28] OLG Düsseldorf v. 12.9.2011 – I-3 Wx 179/11, BeckRS 2011, 23312 = DNotZ 2012, 221.
[29] Beck-OK BGB/Müller-Christmann, § 1931 BGB Rn 4–7.

2. Höhe der Erbquote des Ehegatten

 

Rz. 53

Die Höhe der Erbquote des überlebenden Ehegatten bestimmt sich nach zwei wesentlichen Faktoren. Zum einen dem Güterstand der Ehegatten und zum anderen, ob und gegebenenfalls mit welchen gesetzlichen Erben er zur Erbfolge berufen ist. Welches Güterstandsrecht (deutsches oder ausländisches) für eine Ehe gilt, ergibt sich aus Art. 15 i.V.m. Art. 14 EGBGB. Nachfolgend werden die Auswirkungen der unterschiedlichen deutschen Güterstände auf das Erbrecht des Ehepartners dargestellt.

 

Rz. 54

In § 1931 Abs. 1 BGB ist zunächst allgemein geregelt, wie hoch die regelmäßige Erbquote – egal, bei welchem Güterstand – ausfällt. So erbt der überlebende Ehegatte neben Verwandten der I. Ordnung zu ¼, neben Verwandten der II. Ordnung oder bei erbberechtigten Großeltern des Erblassers, zur Hälfte.

 

Rz. 55

Zu berücksichtigen gilt hierbei insbesondere die Ausnahme des § 1931 Abs. 2 BGB, nach der der überlebende Ehegatte hinsichtlich Erben der III. Erbfolgeordnung lediglich bei vorhandenen Großeltern sein Erbrecht teilen muss. Bei sämtlichen weiteren potentiellen Erben der III. Erbfolgeordnung ist der überlebende Ehegatte Alleinerbe.

 

Rz. 56

Sind nicht mehr alle erbberechtigten Großeltern vorhanden, sondern teilweise vorverstorben, so würden nach den Regeln der III. Erbfolgeordnung die jeweiligen Abkömmlinge an deren Stelle treten. Diese Abkömmlinge sind jedoch nach § 1931 Abs. 2 BGB nicht erbberechtigt, so dass gemäß § 1931 Abs. 1, S. 2 BGB der überlebende Ehepartner auch den auf diese theoretisch entfallenden Anteil erhält.

Beispiel

 

Rz. 57

Durch den Verweis des § 1931 Abs. 3 BGB in das Güterrecht des § 1371 BGB wird für das Erbrecht des Ehegatten eine Vielzahl von weiteren möglichen Varianten eröffnet.

a) Zugewinngemeinschaft

 

Rz. 58

Hatten die Eheleute keine vertragliche Regelung getroffen, gilt der gesetzliche Güterstand und damit die Zugewinngemeinschaft nach § 1363 Abs. 1 BGB.

 

Rz. 59

Bei der Zugewinngemeinschaft besteht für den überlebenden Ehegatten im Erbfall die Möglichkeit, zwischen zwei verschiedenen Wegen zu wählen. Zum einen hat er die Möglichkeit, sich für die sogenannte "erbrechtliche Lösung" nach § 1371 Abs. 1 BGB zu entscheiden oder zum anderen, die "güterrechtliche Lösung" zu wählen, bei d...

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