Rz. 1

Das Erbrecht der gesetzlichen Erben ist in den §§ 1922 ff. BGB geregelt. Die gesetzliche Erbfolge sieht per Gesetz eine gleichmäßige Verteilung des Nachlasses auf die Erben vor. Die Verteilung erfolgt dabei zunächst nach Erbordnungen, wobei Erben einer niedereren die Erben einer höheren Ordnung nach dem sog. Parentelsystem ausschließen (§ 1930 BGB). In der jeweiligen Ordnung findet dann das Repräsentationsprinzip Anwendung. Danach schließt ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling alle durch ihn mit dem Erblasser verwandten weiteren Abkömmlinge von der Erbfolge aus. Für die vierte und höhere Erbordnungen weicht der Gesetzgeber vom Parentelsystem ab und wendet dort das Gradualsystem an (vgl. §§ 1928, 1929 BGB).

 

Rz. 2

Um überhaupt zum Kreis der gesetzlichen Erben zu gehören, müssen zumindest zwei grundsätzliche Voraussetzungen gegeben sein:

Zum einen muss der Erbe mit dem Erblasser verwandt sein und zum anderen muss er gemäß § 1923 Abs. 1 BGB den Erbfall als solchen erlebt haben.

 

Rz. 3

Der Begriff der Verwandtschaft definiert sich über das Familienrecht des BGB. Nach § 1589 BGB sind Personen miteinander verwandt, wenn eine von der anderen abstammt oder wenn sie von derselben dritten Person abstammen. Zum Kreis der Verwandten gehören somit nicht nur diejenigen, die mit dem Erblasser in gerader Linie verwandt sind, sondern auch die, die mit ihm in der Seitenlinie über entsprechende Ahnen ein Verwandtschaftsverhältnis haben.

 

Rz. 4

Nicht verwandt sind demzufolge der Ehepartner, verschwägerte Personen wie z.B. Schwiegermutter oder Schwiegersohn, sowie angeheiratete Onkel, Tanten usw.

 

Rz. 5

Hinsichtlich des Erbrechts des Ehepartners sieht das Gesetz daher in § 1931 BGB eine eigenständige Erbregelung (Sondererbrecht) vor, die jedoch zusätzlich unter Berücksichtigung des Güterstands Anwendung findet. Entsprechendes gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz.

 

Rz. 6

Die Definition der Verwandtschaft bezieht sich aber nicht ausschließlich auf die Bluts-, sondern auch auf die rechtliche Verwandtschaft, die z.B. auch durch Adoptionen, Ehelich-Erklärungen usw. begründet werden kann.

 

Rz. 7

§ 1923 BGB regelt die Erbfähigkeit dahingehend eindeutig, dass Erbe nur der werden kann, der zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt. Ein späterer Tod des zunächst Erbberechtigten verändert die Erbenstellung nicht mehr. Der verstorbene Erbe ist dann als "nachverstorben" anzusehen und vererbt das erworbene Erbrecht an seine Erben weiter. Der Erbschaftsanspruch kann abgetreten, verpfändet und gepfändet werden. Er ist aktiv und passiv vererbbar.[1]

 

Rz. 8

Als lebend bzw. erbfähig gilt auch der bereits gezeugte, aber noch nicht geborene Erbe, der sogenannte Nasciturus (§ 1923 Abs. 2 BGB). Obwohl das Erbrecht den eigentlich im Sinne von § 1 BGB nicht rechtsfähigen Nasciturus so stellt, als wäre er vor dem Erbfall geboren, bedarf es zur Vervollkommnung des Erbrechts noch einer Lebendgeburt des Kindes. Erst dann fällt ihm die Erbschaft an.[2] Für das erzeugte, aber noch nicht geborene Kind können die Eltern die Erbschaft bereits vor dessen Geburt ausschlagen.[3]

 

Rz. 9

Es gibt Fälle, in denen nicht abschließend geklärt werden kann, ob ein verstorbener potentieller Erbe den Erbfall erlebt, den Erblasser also überlebt hat. Beispielsweise bei einem Verkehrsunfall, bei dem beide Ehegatten "gleichzeitig" verstorben sind. Im Erbscheinsverfahren muss dann zunächst nach dem Amtsermittlungsgrundsatz eine Sachverhaltsaufklärung seitens des Gerichts mit dem Ziel erfolgen, die genauen Todeszeitpunkte zur ermitteln. Ist dies erfolglos geblieben, greift die Annahme des § 11 VerschG[4] mit der Vermutung des gleichzeitigen Versterbens bzw. Art. 32 EU-ErbVO. Erbe und Erblasser gelten daher gegenseitig als vorverstorben, sofern nicht das Gegenteil bewiesen ist.[5] Dies gilt auch, wenn der Todeszeitpunkt einer Person mangels weiterer Anhaltspunkte als Zeitraum in der Urkunde ausgewiesen ist (z.B. verstorben zwischen dem 15.3.2015 und 22.3.2015). Auch dann gilt ein Erbe solange als vorverstorben, bis das Gegenteil bewiesen ist.[6]

[1] MüKo-BGB/Helms, § 2018 Rn 10.
[2] LG Berlin v. 15.5.1990 – 83 T 121/90, Rpfleger 1990, 362.
[3] OLG Stuttgart v. 5.11.1992 – 8 W 484/92, NJW 1993, 2250 = Rpfleger 1993, 157.
[4] OLG Köln v. 24.2.1992 – 2 Wx 41/91, NJW-RR 1992, 1481; Keim, ZEV 2005, 10.
[5] BayObLG v. 15.1.1999 – 1Z BR 110–981310, NJW-RR 1999, 1309.
[6] OLG Hamm v. 12.6.1995 – 15 W 120/95, NJW-RR 1996, 70 = Rpfleger 1996, 28.

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