Rz. 72

Mit rechtswirksamer Ehe gilt zugunsten des Gläubigers eines Ehegatten die gesetzliche Vermutung des § 1362 BGB, dass die im Besitz eines der Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Ehegatten gehören, der dem jeweiligen Gläubiger gegenüber als Schuldner anzusehen ist, § 1362 Abs. 1 BGB. Diese gesetzliche Vermutung findet ihre Anwendung nur in der bestehenden ehelichen und häuslichen Lebensgemeinschaft. Sie soll den Gläubiger, also einen Dritten, schützen und ihm den Nachweis des Eigentums erleichtern.[88] Die Vermutung kann zur Folge haben, dass selbst dann das Eigentum des Schuldners vermutet wird, wenn nicht dieser im Besitz der strittigen Sache ist, sondern dessen Ehegatte. Das ist eine Durchbrechung des § 1006 BGB, wonach eine Eigentumsvermutung nur bei Besitz in Betracht kommt.

 

Rz. 73

Da für den Außenstehenden in der Regel nicht ersichtlich ist, welche Gegenstände jeder Ehegatte in die Ehe eingebracht hat, wird wegen der Führung eines gemeinsamen Haushalts eine tatsächliche Vermutung der Vermischung aufgestellt. Zudem soll einer Verschleierung der Eigentumsverhältnisse vorgebeugt werden.[89] Das spielt insbesondere im Rahmen der Zwangsvollstreckung eine Rolle. Gemäß § 739 Abs. 1 ZPO wird zugunsten der Gläubiger eines Ehemannes oder der Gläubiger einer Ehefrau gemäß § 1362 BGB vermutet, dass der Schuldner Eigentümer beweglicher Sachen ist, so gilt für die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer. Folge ist, dass bei Pfändung oder Herausgabe von Sachen der Ehegatte nicht Dritter im Sinne der §§ 809, 886 ZPO ist, sondern als Gewahrsamsinhaber Schuldner.[90] Der Gläubiger wird also geschützt, erhält den Gegenstand im Wege der Zwangsvollstreckung auch dann, wenn der Ehegatte des Schuldners Eigentümer der Sache ist. Nicht geschützt wird der Gläubiger im Rahmen eines Räumungsverfahrens. Denn in diesem Fall bewirkt die Vermutung des § 1362 BGB den Mitbesitz an der Wohnung oder dem Haus. Es bedarf dann eines separaten Titels auf Räumung auch gegen den Ehegatten, §§ 704, 724 ZPO.[91]

[88] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1362 BGB Rn 1.
[89] BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 92/05, openJur 2011, 10104.
[90] Thomas/Putzo/Seiler, § 739 ZPO Rn 9.
[91] OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.2.1994 – 2 W 100/93.

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