Rz. 67

Gemäß § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen zu besorgen. Hierdurch werden beide Ehegatten verpflichtet und berechtigt – also Vertragspartner eines schuldrechtlichen Geschäfts –, soweit sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Anders als im Fall einer Vertretung des Ehegatten führt die Regelung des § 1357 Abs. 1 BGB dazu, dass beide als Gesamtschuldner Vertragspartner und damit gemeinsam im Außenverhältnis verpflichtet werden. Es wird nicht nur der Ehegatte vertraglich verpflichtet, der sich durch die Abgabe einer Willenserklärung gebunden hat, sondern auch der andere. Voraussetzung ist aber, dass das getätigte Geschäft seiner Art nach objektiv der Deckung des privaten Lebensbereichs der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen soll.[75]

 

Rz. 68

Um ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs handelt es sich zum Beispiel beim Kauf von Lebensmitteln, Kleidung oder Haushaltsgeräten. Aber auch finanziell umfangreichere Verträge können hierunter fallen, wie etwa die Anstellung einer Haushaltshilfe, Reparaturarbeiten in der gemeinsamen Ehewohnung, Verträge betreffend die Energieversorgung oder Hausrat.[76] Allerdings ist die Vertragsbindung am äußeren Zuschnitt des Haushalts der jeweiligen Familie zu messen.[77] Möglich scheint auch eine Mithaftung aus ärztlichem Behandlungsvertrag.[78] Die gesamtschuldnerische Haftung wird automatisch von Gesetzes wegen begründet, unabhängig davon, welcher Staatsangehörigkeit oder Religion die Ehegatten angehören.[79]

Die Begründung der gesamtschuldnerischen Haftung gemäß § 1357 BGB ist unabhängig davon, welcher Nation oder Religion die Ehegatten angehören.

 

Rz. 69

Veräußerungsgeschäfte fallen nicht unter § 1357 BGB – auch dann nicht, wenn und soweit der Erlös dem Familienunterhalt zugeführt werden soll. Denn durch Veräußerungsgeschäfte kann niemals Bedarfsdeckung erzielt werden.[80] Entsprechend ist auch ein Mietaufhebungsvertrag oder die Kündigung eines Mietvertrages kein Fall des § 1357 Abs. 1 BGB. Es besteht folglich keine Empfangsbevollmächtigung einer Kündigung.[81]

[75] PWW/Weinreich, § 1357 BGB Rn 6.
[76] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1357 BGB Rn 11.
[77] BGH NJW 1985, 1394.
[78] LG Heidelberg, Beschl. v. 14.2.2014 – 5 O 275/13, openJur 2014, 8367.
[79] AG Cuxhaven, Urt. v. 21.6.2016 – 5 C 77/16, jurionRS 2016, 26906, FuR 2016, 4.
[80] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1357 BGB Rn 15.
[81] AG Ulm, Urt. v. 6.4.2016 – 5 C 228/16, iurado.

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