Rz. 98

Zwingende Voraussetzung ist aber die konsequente Trennung der persönlichen Sphären, die grundsätzlich alle Lebensbereiche durchziehen muss und nur in unbedeutenden oder unumgänglichen Einzelheiten der Lebensumstände ausnahmsweise durchbrochen werden darf.[115] Jeder der beiden Ehegatten muss sich selbst versorgen. Es darf keinerlei Gemeinsamkeiten mehr geben.[116] Zwar können funktionsbestimmte Räume, die in der ehelichen Wohnung nur einmal vorhanden sind, wie Badezimmer oder Küche, von beiden Ehegatten genutzt werden. Das darf aber nicht gemeinsam geschehen.[117] Schließlich müssen die Mahlzeiten getrennt voneinander zubereitet und eingenommen werden und die Eheleute getrennt voneinander schlafen.[118]

 

Rz. 99

Gelegentliche Handreichungen stehen der Trennung nicht entgegen.[119] Und solange ein "bloßes Nebeneinander" der Ehegatten vorliegt, schadet es im Einzelfall auch nicht, wenn gleichzeitig an einem Tisch gegessen wird.[120] Das kann wichtig sein, wenn gemeinsame Kinder mit in der Ehewohnung leben und diesen schwer zu vermitteln ist, warum ein Elternteil plötzlich beim Essen nicht mehr mit an dem Tisch sitzen darf. Das Schlafzimmer hingegen darf für die Annahme des Getrenntlebens auf keinen Fall mehr gemeinsam genutzt werden. Es kommt dabei auch nicht darauf an, wie die gemeinsame Nutzung im Einzelnen ausgestaltet ist. Nach Außen muss ein Höchstmaß an Absonderung erkennbar sein.[121]

 

Rz. 100

Sollte ein Ehegatte aufgrund Krankheit nicht mehr fähig sein, sich selbst zu versorgen, kann es unter Umständen möglich sein, Versorgungsleistungen zu erbringen, ohne dass den Ehegatten die Trennung abgesprochen wird. Denn diese Leistungen würden notgedrungen und in Erfüllung noch bestehender ehelicher Fürsorge- und Garantenpflichten erbracht.[122] Der gesunde Ehegatte darf demnach seinen pflegebedürftigen Ehegatten versorgen, also beispielsweise ihm Essen kochen oder das Bad putzen, ohne dass ihm vorgeworfen würde, es fehle wegen der nicht vorhandenen Absonderung der einzelnen Lebensbereiche an dem Getrenntleben.

 

Rz. 101

Jedenfalls wichtig ist, dass die Ehegatten eine konsequente Trennung der Lebensbereiche vornehmen müssen und im Wesentlichen nicht mehr gemeinsam gewirtschaftet wird.[123] Ein einvernehmliches "Ausgleiten" der ehelichen Lebensgemeinschaft aufgrund gemeinsamen Entschlusses und gemeinsamer Gestaltung mit dem Ziel fortschreitender Verselbstständigung entspricht dem nicht und reicht deshalb nicht aus.[124]

 

Rz. 102

 

Hinweis

Eine Trennung innerhalb der Ehewohnung ist möglich, wenn die Ehegatten alle Lebensbereiche voneinander trennen, es zwischen ihnen keinerlei Gemeinsamkeiten mehr gibt und die Ehegatten nicht mehr gemeinsam wirtschaften.

Funktionsbestimmte Räume, wie Küche oder Badezimmer, können weiterhin von beiden Ehegatten genutzt werden, aber nicht (zeitlich) gemeinsam.

Ist ein Ehegatte wegen Pflegebedürftigkeit nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen, kann der Grundsatz der konsequenten Trennung der einzelnen Lebensbereiche durchbrochen werden, ohne dass den Ehegatten das Vorliegen eines Getrenntlebens abgesprochen wird.

[116] FA-FamR/Schwolow, Kap. 21 Rn 7.
[117] Rauscher, Familienrecht, § 21 Rn 534.
[118] FA-FamR/Schwolow, Kap. 21 Rn 7.
[119] OLG Stuttgart FamRZ 2002, 239; FA-FamR/v. Heintschel-Heinegg, Kap. 2 Rn 66.
[120] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1567 BGB Rn 4.
[121] FA-FamR/v. Heintschel-Heiness, Kap. 2 Rn 66.
[122] OLG Stuttgart NJW-RR 1993, 514; FAKomm-FamR/Weinreich § 1567 BGB Rn 7.
[124] OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1418; FAKomm-FamR/Weinreich, § 1567 BGB Rn 5.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge