Rz. 164

Im Beispielsfall könnte die Tochter auch den Versuch eines Indizienbeweises unternehmen. Der BGH[92] hat in dem Anastasia-Urteil, in dem über den Erbanspruch der angeblichen Zarentochter Anastasia Romanow entschieden wurde, den Indizienbeweis so definiert:

Zitat

"Der unmittelbare Beweis hat tatsächliche Behauptungen zum Gegenstand, die unmittelbar und direkt ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal als vorhanden ergeben sollen; der Indizienbeweis bezieht sich auf andere, tatbestandsfremde Tatsachen, also Hilfstatsachen, die erst durch ihr Zusammenwirken mit anderen Tatsachen den Schluss auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals selbst rechtfertigen sollen. Ein Indizienbeweis ist überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus den Indiztatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen. Hauptstück des Indizienbeweises ist also nicht die eigentliche Indiztatsache, sondern der daran anknüpfende weitere Denkprozess, kraft dessen auf das Gegebensein der rechtserheblichen Tatsache geschlossen wird."[93]

 

Rz. 165

Die Tochter könnte somit also Hilfstatsachen vortragen, die in der Summe keinen anderen Schluss als die Übergabe des Geldes zulassen. Solche Hilfstatsachen könnten sein:

Die Tochter könnte versuchen nachzuweisen, dass die Mutter regelmäßig Kontoauszüge geschickt bekommen hat und diese nicht beanstandet hat.
Eine Aufstellung der Lebenshaltungskosten und der Geschenke, so kann man die Summe der abgehobenen Gelder rekonstruieren. Wenn die Mutter vor der Bevollmächtigung keine größeren Bargeldvorräte hatte, konnte das Geld nur von der Tochter kommen.
Zeugenaussagen von Dritten, gegenüber denen sich die Mutter dankbar über die Dienste der Tochter geäußert hat, sind ebenfalls als Hilfstatsachen einzuführen.
Ein relativ schwacher und immer nur als Zusatzargument tauglicher Vortrag wäre ein bescheidener und unauffälliger Lebenswandel der Tochter, der durch Vorlage eigener Kontoauszüge unterlegt werden könnte.

Diese Mühen dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Bevollmächtigte in diesen Fällen immer auf dünnem Eis bewegen.

[92] BGHZ 53, 245 ff.
[93] BGHZ 53, 245, 260 f.

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