Rz. 1

In der Praxis können sehr unterschiedliche Formen des unberechtigten Vertreterhandelns vorkommen: vom einmaligen "Sündenfall" durch eine eigenmächtige Barabhebung bis hin zum jahrelangen Vollmachtsmissbrauch, mit dem der Vollmachtgeber systematisch enteignet wird, reichen die Fälle, in denen der Rechtsanwalt meist für die Erben retten soll, was zu retten ist. Neben die Schwierigkeit, den Sachverhalt zu ermitteln, treten oft rechtliche Probleme hinzu, den Bevollmächtigten zur Rechenschaft zu ziehen.

 

Rz. 2

Die meisten Fälle betreffen fragwürdige Bankgeschäfte, mit denen der Bevollmächtigte über das Geldvermögen des Vollmachtgebers verfügt. Es sind aber auch Verfügungsgeschäfte über Immobilien, Kraftfahrzeuge und andere Wertgegenstände, die der Bevollmächtigte an sich oder Dritte veräußert, bei denen Rückforderungs- oder Schadensersatzansprüche zu prüfen sind.

 

Rz. 3

Dem Vollmachtgeber bzw. seinen Erben stehen im Wesentlichen folgende Anspruchsgrundlagen zur Seite, um seine Rechte durchzusetzen:

Aufgrund der Herausgabepflicht gem. § 667 BGB schuldet der Bevollmächtigte dem Vollmachtgeber alles, was er aus der Geschäftsbesorgung i.R.d. Auftrages erlangt hat. Diese Pflicht trifft den Bevollmächtigten auch, wenn er im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 Abs. 1 BGB) oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 681 S. 2 BGB) tätig wird.
Nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB hat der Bevollmächtigte alles das herauszugeben, was er ohne Rechtsgrund erlangt hat, sei es, weil keine wirksame Vollmacht erteilt wurde, oder das Handeln des Bevollmächtigten nicht mehr von der Vollmacht bzw. dem Auftragsverhältnis gedeckt war. Dies dürfte die statistisch häufigste Anspruchsgrundlage sein.
Der Bevollmächtigte haftet dem Vollmachtgeber außerdem für jede schuldhafte Vertragspflichtverletzung gem. § 280 BGB, für die gem. § 276 BGB der allgemeine Haftungsgrundsatz gilt, wonach für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen ist.[1] Die Unmöglichkeit der Herausgabe des gem. § 667 BGB Erlangten fällt auch darunter.[2] Hat sich der Vollmachtgeber ein schuldhaftes Verhalten des Bevollmächtigten gem. § 278 BGB zurechnen zu lassen, hat er im Innenverhältnis einen Rückgriffsanspruch gegen den Bevollmächtigten.[3] Kurze schlägt in diesem Zusammenhang vor, den Haftungsmaßstab analog §§ 1359, 277 BGB durch eine individuelle Regelung zu begrenzen.[4] In die gleiche Richtung zielt die Empfehlung Papenmeiers,[5] die Haftung auf Fälle grober Fahrlässigkeit zu beschränken. Diese dringenden Apelle zeigen aber auch, dass der Versuch, im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Haftungserleichterung zu erreichen, nicht zielführend sein dürfte.
Auch wenn eine Vorsorgevollmacht die gesetzliche Betreuung ersetzen soll, spricht nichts dagegen, die vom Gesetzgeber neu formulierten Pflichten des Betreuers in Vermögenssachen gem. §§ 1838 ff. BGB als Haftungsmaßstab zu nehmen, an der sich mangels anderer Anhaltspunkte (die in den meisten Fällen fehlen) eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung zu orientieren hat.
In besonders krassen Fällen des Vollmachtsmissbrauchs wird man eine Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung gem. § 823 BGB zu prüfen haben. Hier ist je nach Intensität insbesondere an Ansprüche gem. § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266 Abs. 1 Fall 1 StGB als Veruntreuung oder § 246 StGB als Unterschlagung zu denken.[6]
Schließlich kann die Herausgabe gem. § 985 BGB infrage kommen, wenn der Bevollmächtigte im Besitz von Sachen des Vollmachtgebers ist.
 

Rz. 4

Oft werden die Anspruchsvoraussetzungen parallel oder alternativ bestehen, was allerdings nicht davon abhalten darf, die jeweiligen Tatbestände und Einwendungen genau zu prüfen, da z.B. unterschiedliche Verjährungsfristen und Verzinsungsregeln gelten können.

 

Rz. 5

 

Beispiel

Der Bevollmächtigte hebt ohne einen Auftrag Geld vom Konto des Vollmachtgebers ab und verwendet es für eigene Zwecke.

 

Rz. 6

Ohne weitere Informationen kann der Vollmachtgeber "nur" einen bereicherungsrechtlichen Anspruch[7] geltend machen. Ist nachweisbar, dass die Abhebung bewusst erfolgte, konkurriert der Bereicherungsanspruch mit einem Anspruch aus unechter Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 687 Abs. 2 i.V.m. §§ 681, 667 BGB.[8]

 

Rz. 7

Von Seiten des Bevollmächtigten wird bei Beanstandungen regelmäßig eingewendet, man habe nur im Auftrag des Vollmachtgebers gehandelt und sei allen Pflichten nachgekommen. Dies ist in erster Linie eine Beweisfrage, die insbesondere bei behaupteten Schenkungen eine Rolle spielt.

 

Rz. 8

Die Darstellung in diesem Kapitel orientiert sich in erster Linie an typischen Lebenssachverhalten und deren Aufarbeitung im Mandat. Wiederholungen von rechtlichen Ausführungen sind daher unvermeidlich und dienen dem Verständnis.

[1] Auch wenn der Bevollmächtigte im Rahmen eines Auftragsverhältnisses ohne Vergütung tätig wird, kann er für sich keine Haftungserleichterung reklamieren, vgl. BGHZ 21, 102, 110; Grüneberg/Grüneberg, § 276 Rn 41.

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