Rz. 140

Besteht keine Rechtsschutzversicherung und liegen knappe wirtschaftliche Verhältnisse vor, sind mithin auch keine Barwerte oder sonstigen Geldwerte i.S.d. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von mehr als 5.000,00 EUR (zuzüglich weiterer 500,00 EUR für jede überwiegend unterhaltene Person) vorhanden, könnte für den Mandanten Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe in Betracht kommen. Die Zusage eines leistungsfähigen und leistungsbereiten Dritten, für einen geplanten Prozess aufzukommen, stellt ebenfalls verwertbares Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO dar und beseitigt die Bedürftigkeit des Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren.[117]

 

Rz. 141

Gemäß § 16 Abs. 1 BORA muss der Rechtsanwalt bei begründetem Anlass auf die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen, hinweisen. Der Rechtsuchende könnte beim Gericht sogar selbst den Antrag auf Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe stellen und erst nach seiner Bewilligung den Rechtsanwalt beauftragen. Diese Vorgehensweise ist selbst dann möglich, wenn es sich um einen Prozess mit Anwaltszwang handelt, also z.B. in Landgerichtsprozessen.

[117] BGH, Urt. v. 3.9.2015 – III ZR 66/14, juris Leitsatz = AnwBl Online 2015, 543 ff.

1. Umfang des Kostenschutzes

 

Rz. 142

Die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe deckt die Gerichtskosten einschließlich etwaig erforderlicher Auslagen – wie für Zeugen und Sachverständige – ab, sowie die Gebühren des eigenen Rechtsanwalts.

 

Rz. 143

Nicht umfasst von der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe werden die Gebühren des gegnerischen Rechtsanwalts. Dies kann bedeutsam werden, wenn der Rechtsstreit letztendlich überwiegend verloren wird. Die Gegenseite kann dann beim Gericht einen Antrag auf Kostenausgleichung oder -festsetzung stellen. Also besteht auch bei bewilligter Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe immer ein Restkostenrisiko. Darauf ist der Mandant hinzuweisen. Dieses Risiko ist eher als gering einzustufen, wenn es nur um die Beurteilung von Rechtsfragen geht, weil das Gericht vor der Bewilligung die Erfolgsaussichten für die Klage oder Verteidigung prüfen muss, also nicht leichtfertig die Bewilligung erteilt, schließlich aber den Prozess anders entscheidet. Zwar mag eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten seitens des Gerichtes im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ausreichend sein, jedoch ist die Konstellation, dass das Urteil zu einer konträren Entscheidungsfindung gelangt, in der Praxis selten. Kommt es aber auf eine Beweisaufnahme an, lässt sich meist nicht prognostizieren, wie der Rechtsstreit entschieden werden wird.

2. Berechnung der wirtschaftlichen Voraussetzungen

 

Rz. 144

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist eine Art Sozialhilfe. In Bezug auf den Prozess-/Verfahrenskostenhilfeantrag ist das Formular gemäß § 117 Abs. 3 und 4 ZPO auszufüllen. Dort sind die persönlichen Daten anzugeben, des Weiteren die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Es ist mit der Einreichung zu erklären, dass die Angaben vollständig und richtig sind sowie dass das Formular komplett ausgefüllt und belegt ist. Der Rechtsanwalt, welcher seinem Mandanten dabei behilflich ist, das Formular auszufüllen, kann auf diese Weise prüfen, ob es lückenlos ausgefüllt worden ist. Anlagen sind zu nummerieren[118] und beizufügen. Die Nummern der Belege sind im Antrag anzugeben. Nach § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO kann das Gericht Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlage von Urkunden zur Glaubhaftmachung anordnen und Auskünfte einholen. Vielfach wird die Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten vor Antragstellung[119] verlangt, weil das Gericht prüfen will, ob die Angaben zur Einnahmen- und Ausgabenseite zutreffen. Kommt der Mandant dem nicht nach, kann die Bewilligung von Kostenhilfe verweigert werden, selbst wenn keine konkreten Anhaltspunkte für Falschangaben bestehen.

 

Rz. 145

Der beauftragte Rechtsanwalt sollte für den Mandanten errechnen, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind (insbesondere, um damit einen Zeitverlust im Hinblick auf die Rechtsverfolgung des Mandanten durch ein absehbar erfolgloses PKH/VKH-Verfahren zu vermeiden). Zur Berechnung oder Überprüfung empfiehlt sich folgendes Grundschema (mit zurzeit geltenden Beträgen gemäß der Bekanntmachung zu § 115 ZPO – Prozesskostenhilfebekanntmachung 2020 – PKHB 2020 – vom 20.12.2019; BGBl I S. 2942). Auszugehen ist zunächst vom Bruttoeinkommen, von dem Folgendes abzuziehen ist:

auf das Einkommen entrichtete Steuern,
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und der Beiträge zur Arbeitsförderung,
Beiträge zu Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 EStG, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 EStG nicht überschreiten,
das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts nach § 43 S. 4 SGB IX.

Berechnungsschema zur Ermittlung des anrechenbaren Einkommens nach § 115 Abs. 1 ZPO:

 
Nettoarbeitseinkommen des Antragstellers […] EUR
zuzüglich des Netto-Durch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge