Rz. 11

Wird der unzureichende, aber nicht i.S.v. § 2306 BGB belastete oder beschwerte Erbteil ausgeschlagen, so verliert der Pflichtteilsberechtigte damit grundsätzlich den Erbteil. Es gilt die Grundregel, dass die Ausschlagung des Erbteils zum Verlust des Pflichtteils führt (siehe § 3 Rdn 3). Allerdings behält er dann wenigstens noch den Pflichtteilsrestanspruch,[21] wodurch sich zeigt, dass dieser doch eine gewisse Selbstständigkeit gegenüber dem Pflichtteilsanspruch im engeren Sinne hat.

 

Rz. 12

Der überlebende Ehegatte der Zugewinngemeinschaft kann abweichend hiervon trotz Ausschlagung der Erbschaft den sog. kleinen Pflichtteil (berechnet aus dem normalen Erbteil des § 1931 Abs. 1 BGB ohne Erhöhung nach § 1371 BGB) und den rechnerischen Zugewinnausgleich verlangen (§ 1371 Abs. 3 BGB); er hat sich dann für die "güterrechtliche Lösung" entschieden. Gleiches gilt für den gleichgeschlechtlichen Lebenspartner, sofern auch dort der Güterstand der Zugewinngemeinschaft galt (§ 6 S. 2 LPartG mit Verweisung auf § 1371 BGB).

 

Rz. 13

Zu beachten ist insoweit jedoch die Rspr. des BGH. So hat der BGH zu § 2306 Abs. 1 BGB a.F. entschieden, dass die irrige Vorstellung des unter Beschwerungen als Erbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten, er dürfe nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren, die Anfechtung einer auf dieser Vorstellung beruhenden Annahme der Erbschaft rechtfertigt.[22] Im Schrifttum war umstritten, ob diese Rspr. auch auf die Neuregelung des § 2306 BGB durch die Erbrechtsreform übertragen werden konnte.[23] Dies hat der BGH nunmehr ausdrücklich bestätigt und hierzu wörtlich ausgeführt:[24]

Zitat

"Auch nach der Neuregelung des § 2306 Abs. 1 BGB können sich zur Anfechtung wegen Inhaltsirrtums berechtigende Sachverhaltskonstellationen ergeben, auf die die Grundsätze des Senatsbeschlusses vom 5.7.2006 (ZEV 2006, 498) entsprechende Anwendung finden. Der mit Beschränkungen und Beschwerungen belastete Erbe – wie hier die Bekl. – wird im Regelfall nicht wissen, dass er die Erbschaft ausschlagen muss, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren (Senat a.a.O. Rn 21 f.; Keim MittBayNot 2010, 85 [87]). Der Regelungsgehalt des § 2306 Abs. 1 BGB steht gerade im Gegensatz zu dem sonstigen Grundsatz, dass die Erbausschlagung zum Verlust jeder Nachlassbeteiligung führt (vgl. § 1953 Abs. 1 u. 2 BGB). Vielmehr kommt es in derartigen Fällen – wie auch hier bei der Bekl. – in Betracht, dass ein mit Belastungen und Beschwerungen eingesetzter Erbe die Erbschaft nur deshalb nicht ausschlägt, weil er davon ausgeht, sonst keinen Pflichtteilsanspruch zu haben."

Weiter hat der BGH darauf hingewiesen, dass es in diesem Fall auch keine Rolle spielt, ob der Erbe die Erbschaft ausdrücklich annimmt oder lediglich durch Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist.[25]

[21] Allg.M., BGH NJW 1973, 995, 996; RGZ 93, 3, 9; 113, 45, 48; MüKo-BGB/Lange, § 2305 Rn 2.
[22] BGH DNotZ 2006, 926, 927 = ZEV 2006, 498 m. Anm. Leipold.
[23] Dafür etwa: MüKo-BGB/Leipold, § 1954 Rn 10; Staudinger/Otte, § 2306 Rn 7; Palandt/Weidlich, § 1954 Rn 4. Dagegen etwa: Damrau/Tanck/Riedel, § 2306 Rn 46; Lange, DNotZ 2009, 732, 736.
[24] BGH NJW 2016, 2954, 2956 = ZEV 2016, 574, 575.
[25] BGH NJW 2016, 2954, 2956 = ZEV 2016, 574, 575.

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