Rz. 3

Nach § 2305 BGB erhält der pflichtteilsberechtigte Miterbe einen Ausgleichsanspruch, wenn der durch Verfügung von Todes wegen zugewandte Erbteil geringer ist als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils (sog. Pflichtteilsrestanspruch oder Zusatzpflichtteil). In Höhe dieses Differenzbetrages steht ihm dann eine Geldforderung zu.

 

Beispiel

Der Witwer W hinterlässt einen Nachlass von 600.000 EUR und zwei Kinder, davon werden S zu 1/6, T zu 5/6 als Erben eingesetzt. Hat S noch einen Pflichtteilsanspruch? Die Pflichtteilsquote von S ist ¼; danach ergibt sich als Pflichtteilsrestanspruch: 1/12 × 600.000 EUR = 50.000 EUR.

 

Rz. 4

Der Pflichtteilsrestanspruch ist ein "echter Pflichtteilsanspruch", also Teil des ordentlichen Pflichtteils i.S.v. § 2303 BGB. Er darf nicht mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB) verwechselt werden, für den z.T. besondere Regelungen gelten. Der Pflichtteilsrestanspruch kann zu überraschenden Folgen führen, wenn bei der Gestaltung der Verfügungen von Todes wegen nicht an ihn gedacht wird.

 

Beispiel

Ehemann M hat aus seiner ersten Ehe zwei Kinder, K 1 und K 2; Ehefrau F hat aus ihrer ersten Ehe ein Kind, K 3. Sie wollen sich im Rahmen eines Berliner Testaments (§ 2269 BGB) gegenseitig zu Alleinerben einsetzen; nach beider Tod sollen die drei Kinder den Nachlass je zu gleichen Teilen erhalten. Daher berufen sie alle drei Kinder je zu einem Drittel zu Schlusserben. M verstirbt zuerst, dann F. Nach dem Tod der F erhält ihr Kind K 3 nicht nur den Erbteil von ⅓: Da dieser unter der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils liegt – denn das wäre die Hälfte –, hat es zusätzlich einen Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB von ½ – ⅓ = 1/6. Es erhält daher – entgegen dem Willen der Eheleute – wertmäßig die Hälfte des Nachlasses des Längerlebenden.[2]

 

Rz. 5

Der Pflichtteilsrestanspruch ist ein echter Pflichtteilsanspruch. Er ist daher eine richtige Nachlassverbindlichkeit,[3] die sich aber nur gegen die anderen Miterben und nicht gegen die Erbengemeinschaft als solches richtet, weil dies sonst wieder zur Reduzierung des Erbteils des erbenden Pflichtteilsberechtigten führen würde und ihn daher entgegen dem Normzweck schlechter als den völlig enterbten Pflichtteilsberechtigten stellen würde.[4] Dass es sich daher um eine nicht gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit (auch Erbteilsverbindlichkeit genannt) handelt, ändert nichts daran, dass die anderen Miterben nur beschränkt haften,[5] und zwar auch dann, wenn sie gegenüber anderen Nachlassgläubigern bereits unbeschränkbar haften (§ 2063 Abs. 2 BGB).[6] Andererseits wird § 2058 BGB hierauf zumindest analog angewandt, so dass die betroffenen Miterben gesamtschuldnerisch, wenn auch mit den allgemeinen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten, haften.[7] Der Pflichtteilsrestanspruch ist bei der Auseinandersetzung geltend zu machen (§ 2046 BGB, besonders Abs. 2) und verjährt nach § 2332 BGB in drei Jahren.[8] Für das Verhältnis der Miterben untereinander gelten die §§ 2046, 2063 Abs. 2, 2319, 2320 ff. BGB.

 

Rz. 6

Der Pflichtteilsrestanspruch ist zu unterscheiden vom Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB), der ein außerordentlicher Pflichtteilsanspruch ist und an besondere Voraussetzungen geknüpft ist. Soweit Erbteil und Vermächtnis zugleich zugewandt werden, ist auch § 2307 BGB anzuwenden (siehe Rdn 38 ff.).[9]

 

Rz. 7

Die Änderung des § 2306 Abs. 1 BGB durch die Erbrechtsreform machte auch eine Folgeänderung des § 2305 BGB notwendig: Der Pflichtteilsrestanspruch entsteht nur in den Fällen, in denen der hinterlassene Erbteil kleiner als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist. Dies war die Falllage des § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.: Dann fielen nach der früheren Rechtslage aber die den hinterlassenen Erbteil beschränkenden oder beschwerenden Anordnungen automatisch weg. Der Schutz des Pflichtteilsberechtigten wurde durch die Zubilligung eines unbelasteten, kleineren Erbteils, der unterhalb des Pflichtteils lag, und einem zu diesem aufstockenden Pflichtteilsrestanspruch verwirklicht. Nach neuem Recht bleiben aber die Belastungen und Beschwerung auch bei dieser Falllage bestehen. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich dagegen schützen, dass er den belasteten Erbteil ausschlägt und stattdessen den vollen Pflichtteil verlangt, so dass dann § 2305 BGB gar nicht anwendbar ist. Unterlässt er dies aber und nimmt den beschwerten oder belasteten Erbteil an, so ist es nur konsequent, wenn die darauf lastenden Beschränkungen und Beschwerungen bei der Berechnung des Pflichtteilsrestanspruchs nicht berücksichtigt werden. Auf die entsprechende Kritik zum Referentenentwurf, der hierzu noch keine Regelung enthielt,[10] wurde dies in der Gesetz gewordenen Fassung klargestellt. Dem § 2305 BGB wurde daher folgender Satz 2 angefügt:

Zitat

"Bei der Berechnung des Wertes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 bezeichneten Art außer Betracht."

Der hinterlassene Erbteil bleibt also bei seiner Annahme weiterhin belastet und wird nicht durch einen erhöhten Pfli...

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