Rz. 73

Wie auch sonst muss der Umfang der Einwilligung, also der Umfang der Preisgabe des Rechtsguts, durch Auslegung ermittelt werden, soweit nicht im Einzelfall dieser Umfang ausdrücklich vom Rechtsgutsinhaber bestimmt wurde. Gerade bei internetbasierter Kommunikation lässt sich Letzteres aber regelmäßig nicht feststellen.

 

Rz. 74

Ob sich die Kommunikationspartner bei der Kommunikation mit dem Erblasser bspw. auch Gedanken darüber gemacht und Bestimmungen darüber getroffen haben, wie im Falle des Todes mit den Kommunikationsinhalten umzugehen ist, lässt sich nur feststellen, wenn man die Kommunikationspartner befragt oder in den ausgetauschten Nachrichten selbst nach Anhaltspunkten sucht. Beides würde aber wiederum den Zugriff auf das jeweilige Benutzerkonto voraussetzen, da man ansonsten die Kommunikationspartner nicht identifizieren und auch nicht die Kommunikation selbst sichten kann. Da aber der Zugang zu dem Benutzerkonto selbst in Frage steht, dreht man sich im Kreis. Die Einwilligungen müssen mithin nach den äußeren Umständen der Kommunikation ausgelegt werden.

a) Ausgangspunkt der Auslegung

 

Rz. 75

Für die Auslegung der Einwilligung der Kommunikationspartner können wir zunächst auf die in § 3 gefundenen Ergebnisse zurückgreifen, denn es macht keinen Unterschied, ob jemand dem Erblasser bspw. ein Foto über ein soziales Netzwerk geschickt hat oder per E-Mail oder ob er das Foto direkt auf ein Speichermedium des Erblassers überspielt hat. Dasselbe gilt für Nachrichten etc.

 

Rz. 76

Die Auslegung der Einwilligung wird regelmäßig ergeben, dass der Erblasser dazu befugt sein sollte, die jeweiligen Inhalte auf Dauer zu behalten und zu nutzen. Die so eingeräumte Verfügungsbefugnis geht auch auf die Erben über. Nur in Ausnahmefällen kommt ein anderes Ergebnis in Betracht, etwa dann, wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung des Dritten betroffen ist. Aber selbst, wenn ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ändert das, wie wir gesehen haben, grundsätzlich nichts an der Rechtsnachfolge in den jeweiligen Vertrag mit dem Anbieter (vgl. Rdn 3 ff.). Die Kommunikationspartner haben allenfalls einen Anspruch gegen die Erben auf Herausgabe oder Löschung von Inhalten.

b) Die Entscheidung des KG

 

Rz. 77

Grundsätzlich anders sieht das KG die Dinge in seiner Entscheidung zur Rechtsnachfolge in ein Benutzerkonto bei Facebook. Das KG führt dazu aus:[144]

Zitat

"In der Teilnahme an einer über Facebook geführten Kommunikation liegt keine Einwilligung in die Weitergabe von Kommunikationsinhalten an den Erben des ursprünglichen Kommunikationspartners."

Zwar könne eine solche Einwilligung auch konkludent erfolgen, so das KG weiter, allerdings dürfe eine

Zitat

"konkludente Einwilligung [nur] angenommen werden, wenn ein bestimmtes Verhalten in einem solchen Maße üblich und geradezu selbstverständlich ist, dass entsprechend dem Grundgedanken des § 157 BGB nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte vernünftigerweise nur von einer Zustimmung des Betroffenen ausgegangen werden kann, sofern er dem Verhalten nicht widerspricht (vgl. die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer konkludenten Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner personalen Daten durch seinen Arzt, BGHZ 115, 123)."

 

Rz. 78

Daran fehle es bei einer Kommunikation via Facebook, so das KG weiter. Zur Begründung verweist das Gericht darauf, es lasse sich nicht feststellen, dass es

Zitat

"zum Zeitpunkt der Teilnahme der Kommunikationspartner der Erblasserin an der Kommunikation geradezu selbstverständlich war, dass im Falle des Todes eines Telekommunikationspartners den Erben vom Betreiber der social-media-Plattform eine Zugangsmöglichkeit zu den Kommunikationsinhalten verschafft wird […]. Vielmehr konnten die Teilnehmer einer Kommunikation über Facebook eher davon ausgehen, dass eine solche Weitergabe an die Erben aufgrund der Richtlinien zum Gedenkstatus gerade nicht erfolgt."

[144] KG, Urt. v. 31.5.2017 – 21 U 9/16, dort Rn 107, ZErb 2017, 225 = ErbR 2017, 496 = ZEV 2017, 386.

c) "Verkehrssitte" im Bereich internetbasierter Kommunikation

 

Rz. 79

Diese Argumentation ist aus mehreren Gründen falsch. Bereits der Anknüpfungspunkt für die Auslegung der Einwilligung durch das KG, nämlich die Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen einer konkludenten Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner persönlichen Daten durch seinen Arzt, passt hier ersichtlich nicht. Es geht dort um ein (gesetzlich) besonders geschütztes Vertrauensverhältnis, bei dem strenge Anforderungen an die Annahme einer Einwilligung zur Weitergabe gestellt werden müssen. Hier geht es aber um eine sozialübliche Kommunikation unter Privaten. Keiner der Kommunikationspartner nimmt bei einer Kommunikation via Facebook ein gesteigertes Vertrauen in Anspruch, wie es im Verhältnis des Patienten zum Arzt der Fall ist.

 

Rz. 80

Gleichzeitig führen der Hinweis auf eine noch fehlende Verkehrssitte im Bereich der Kommunikation über Social-Media-Plattformen sowie der Hinweis auf die Richtlinien von Facebook zum Gedenkstatus in einen Zirkelschluss. Wenn eine Verkehrssitte als Anknüpfungspunkt ...

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