Rz. 69

§ 1 Abs. 2 Nr. 1b KSchG stellt klar, dass sich die seitens des Arbeitgebers zu prüfende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf das Unternehmen erstreckt. Bei einem Gemeinschaftsbetrieb von zwei oder mehreren Unternehmen sind sämtlichen Arbeitsplätze des Gemeinschaftsbetriebs, auch soweit sie einem anderen Arbeitgeber zugeordnet sind, bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.[112] Ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer auch auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland berufen kann, ist umstritten. Die Rechtsprechung lehnt überwiegend eine solche ab.[113] In Teilen der Rechtsprechung und der Literatur wird hingegen zutreffend vertreten, dass Arbeitnehmer sich auch auf Arbeitsplätze berufen können soll, die sich im Ausland befinden.[114] Hierbei wird jedoch vielfach einschränkend vorausgesetzt, der Arbeitnehmer müsse ohne Vertragsänderung weiterbeschäftigt werden können und deutsches Arbeitsrecht müsse anwendbar sein.[115] Dem kann nicht gefolgt werden, da auch insoweit die Möglichkeit einer Änderungskündigung als milderes Mittel in Betracht kommt.

 

Rz. 70

Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen hat der Arbeitgeber nur verpflichtend anzubieten, wenn der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis auch mit diesem anderen Unternehmen des gemeinsamen Betriebes steht[116] oder ausnahmsweise eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestünde.[117]

 

Rz. 71

 

Hinweis

Der Grundsatz des Unternehmensbezugs hat eine Ausnahme im Falle der Aufs­paltung und Teilung von Unternehmen zu erfahren. Gemäß § 323 Abs. 1 UmwG ­verschlechtert sich die kündigungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers für die Dauer von zwei Jahren nicht. Streitig ist, ob bei einer Spaltung auch die Beschäf­tigungsmöglichkeiten bei dem jeweils anderen Unternehmen zu berücksichtigen sind. Dies ist stets zu bejahen, da der eigentliche Schutzzweck des § 323 Abs. 1 UmwG nur gewahrt bleibt,[118] wenn auch direkte und indirekte Nachteile einbezogen werden.

Die Notwendigkeit einer unternehmensübergreifenden Betrachtung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in dem anderen Unternehmen des Gemeinschaftsbetriebs endet mit der Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes,[119] sofern nicht tatsächlich eine einheitliche Fortführung der personellen Leitung erhalten geblieben ist.[120]

 

Rz. 72

Nur in Ausnahmefällen kommt nach dem BAG eine Weiterbeschäftigung im Konzern in Betracht. Diese Ausnahmefälle sind nach der Rechtsprechung des BAG denkbar, wenn eine konzernbezogene Betrachtung geboten ist. Dies ist der Fall, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder einer sonstigen vertraglichen Absprache ergibt (Versetzungsvorbehalt erstreckt sich auf den Konzern,[121] tarifvertragliche konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht[122]).[123] Der Arbeitnehmer könne nach dem Arbeitsvertrag von vornherein für den Unternehmens- und den Konzernbereich eingestellt worden sein oder sich arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb der Unternehmens- bzw. der Konzerngruppe einverstanden erklärt haben.[124] Weitere Voraussetzung dieser konzernbezogenen Weiterbeschäf­tigungspflicht sei allerdings ein bestimmender Einfluss des Beschäftigungsbetriebs bzw. des vertragsschließenden Unternehmens auf die "Versetzung". Die Entscheidung dürfe nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten worden sein.[125] Wie diese Einflussmöglichkeit des anderen Unternehmens ausgeübt wird – z.B. aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder eher nur faktisch –,soll nach dem BAG keine Rolle spielen.[126]

 

Rz. 73

 

Hinweis

Bei der Beratung der Arbeitnehmer, die sich auf eine konzernweite Versetzungsklausel berufen können, wird es nach der obigen Rechtsprechung darauf ankommen, nachweisen zu können, dass das andere Unternehmen im Konzern das herrschende Unternehmen sein muss. Dies ist schwierig, für den einzelnen Arbeitnehmer. Es kann gelingen, wenn der Betriebsrat bzw. Konzernbetriebsrat bei der Aufklärung über die Beherrschung behilflich ist. Ansonsten bliebe nur die möglicherweise umfangreiche Prüfung der Handelsregisterauszüge, um eine Beherrschung über die Mehrheitsverhältnisse nachweisen zu können.

Alles in allem ist hinsichtlich einer konzernweiten Versetzungsklausel die Rechtsprechung an dieser Stelle zu einschränkend zu Lasten der Arbeitnehmer. Umgekehrt wird bei einer Versetzung des Arbeitnehmers innerhalb des Konzerns gerade nicht verlangt, dass das Unternehmen, in das versetzt wird, bestimmenden Einfluss auf die Versetzung hat. Hier wird somit einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers die konzernweite Versetzungsklausel interpretiert.

[113] Vgl. BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 202 m.w.N. aus der Instanzrechtsp...

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