Rz. 96

Bei der Interessenabwägung ist auf die tatsächliche Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Zeitpunkt des vorgesehenen Eintritts in den Ruhestand und nicht auf die fiktive Kündigungsfrist abzustellen.[167]

Aus diesem Grund ist es entscheidend, ob Umstände vorliegen, die es für den Arbeitgeber zumutbar erscheinen lassen, ein inhaltsleeres Arbeitsverhältnis möglicherweise über mehrere Jahre hinweg aufrecht zu erhalten. Es ist ein besonders strenger Prüfungsmaßstab anzulegen, um dem besonderen Kündigungsschutz Rechnung zu tragen.[168]

 

Rz. 97

 

Hinweis

Das BAG nimmt weder bei der Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes noch bei der Interessenabwägung eine Überprüfung der wirtschaftlichen Vorteile des Arbeitgebers zu den wirtschaftlichen Nachteilen des Arbeitnehmers vor. Das BAG geht auch bei der unternehmerischen Entscheidung in den Fällen der Kündigung eines außerordentlich unkündbaren Arbeitnehmers davon aus, dass auch die bei betrieblich organisatorischen Maßnahmen zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung nur daraufhin zu überprüfen ist, ob diese offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

Ob die Unternehmerentscheidung nur einen einzigen Arbeitnehmer, der außerordentlich unkündbar ist, betrifft, in dem seine Tätigkeit fremd vergeben wird, hat nach dem BAG keinen Einfluss auf die Frage, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzunehmen sei oder die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers auszufallen habe.[169] Diese Ansicht kann im Hinblick darauf, dass § 626 BGB grundsätzlich ausdrücklich eine Interessenabwägung vorsieht, nicht geteilt werden.[170]

[168] HaKo/Mestwerdt/Zimmermann, § 1 Teil F KSchG Rn 756.
[170] HK-ArbR/Schubert, § 1 KSchG Rn 457.

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