Rz. 263

Das kollektive internationale Arbeitsrecht wird nicht durch Art. 8 VO (EG) 593/08 erfasst. Gesetzliche Regelungen liegen hierzu nicht vor. Die Ausgestaltung unterliegt somit der Rechtsprechung.[20]

[20] Franzen, AR-Blattei Internationales Arbeitsrecht 920 Rn 186 (m.w.N.).

1. Betriebsverfassungsrecht

 

Rz. 264

Im Zusammenhang mit internationalen Sachverhalten stellen sich aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht insb. drei Problemfelder. Zunächst einmal stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des BetrVG und damit zusammenhängend der Zuständigkeit des Betriebsrats für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut unterliegen. Daneben stellt sich im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl die Frage nach der Wahlberechtigung (aktives Wahlrecht) und der Wählbarkeit (passives Wahlrecht) dieser Arbeitnehmer und den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats. Schließlich gilt es zu beantworten, inwieweit diese Arbeitnehmer bei den Schwellenwerten des BetrVG mitzuzählen sind.

a) Anwendbarkeit des BetrVG

 

Rz. 265

Wie bereits oben erwähnt, ist bei grenzüberschreitenden Sachverhalten das deutsche BetrVG nach dem Territorialitätsprinzip nur dann anzuwenden, wenn der betroffene im Ausland tätige Arbeitnehmer einem Betrieb mit Sitz in der BRD zuzuordnen ist und, nach Würdigung aller Gesamtumstände, nicht auf Dauer in den ausländischen Betrieb integriert werden soll[21] bzw. nur befristet voll eingegliedert wird.[22] Dabei kommt es weder auf die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers noch auf die des Arbeitgebers an.[23]

Ist ein Arbeitnehmer in der BRD beschäftigt, ist ein hier bestehender Betriebsrat unabhängig von dem anzuwendenden Arbeitsvertragsstatut für ihn zuständig.

Bei der Anwendung des BetrVG muss der deutsche Arbeitgeber zunächst einmal die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Arbeitnehmers nach § 99 Abs. 1 BetrVG einholen. Einstellung bedeutet in diesem Sinne die tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung.

[21] Boemke, NZA 1992, 112.
[22] BAG, BAGE 30, 266 – 272.
[23] BAG, AP Internationales Privatrecht-Arbeitsrecht Nr. 13.

b) Wahlberechtigung und Wählbarkeit

 

Rz. 266

Wahlberechtigt sind nach § 7 Satz 1 BetrVG alle auch im Ausland tätigen Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.[24] Auch die Arbeitnehmer, die von einem anderen Arbeitgeber zur Arbeitsleistung überlassen wurden, sofern sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden, sind wahlberechtigt. Dies betrifft also insb. Leiharbeitnehmer, die damit ein aktives Wahlrecht haben. Daneben sind aber nach dem Wortlaut des Gesetzes auch diejenigen Arbeitnehmer eines anderen (ausländischen) Arbeitgebers wahlberechtigt, wenn ihr Arbeitsverhältnis einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut unterfällt.

Wählbar sind hingegen nach § 8 Abs. 1 BetrVG alle Wahlberechtigten, die sechs Monate dem Betrieb angehören.[25] Für Leiharbeitnehmer bestimmt § 14 Abs. 2 AÜG, dass diese nicht wählbar sind. Aufgrund der ähnlichen Sachverhalte dürfte die Rechtslage bei den Arbeitnehmern ebenso zu beurteilen sein, die ausschließlich einen Arbeitsvertrag mit einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber haben, der dem ausländischen Arbeitsvertragsstatut unterfällt. In beiden Fällen ist das Unternehmen, in dem die Betriebsratswahlen stattfinden, nicht Arbeitgeber des Arbeitnehmers.

 

Rz. 267

In Unternehmen, die unionsweit mindestens 1.000 Arbeitnehmer und davon jeweils mindestens 150 Arbeitnehmer in mindestens zwei Mitgliedstaaten beschäftigen, werden nach § 1 Abs. 1 EBRG europäische Betriebsräte oder Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vereinbart.

Im Ausland tätige Arbeitnehmer haben auch das Recht, an im inländischen Betrieb stattfindenden Betriebsversammlungen[26] sowie Teil- und Abteilungsversammlungen[27] teilzunehmen. Die Hin- und Rückreise ist dabei ebenso wie die Teilnahmezeit wie geleistete Arbeitszeit zu vergüten, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Die Reisekosten sind aus Gründen der Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber allerdings vom Arbeitnehmer selbst zu tragen.[28] Der für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer geltende § 44 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, der auch die Reisekosten dem Arbeitgeber aufbürdet, findet für im Ausland Tätige somit keine Anwendung.

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gelten in sozialen und personellen Angelegenheiten auch für im Ausland tätige Arbeitnehmer in vollem Umfang.[29]

[24] Gaul, BB 1990, 697.
[25] Boemke, NZA 1992, 112.
[26] Boemke, NZA 1992, 112.
[27] BAG, AP BetrVG 1972, § 42 Nr. 3.
[28] Gaul, BB 1990, 697.
[29] BAG, AP BetrVG 1972, § 117 Nr. 3.

c) Schwellenwerte

 

Rz. 268

Die ausländischen Arbeitnehmer, die unter ausländischem Arbeitsvertragsstatut in einem deutschen Betrieb arbeiten, zählen bei den Schwellenwerten des BetrVG mit, sofern eine Anbindung an den deutschen Betrieb gegeben ist, der Arbeitnehmer des ausländischen Arbeitgebers also dem inländischen Betrieb zuzuordnen ist.[30] Kommt es bei den Schwellenwerten darauf an, dass "i.d.R." eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern vorhanden ist, ist die Zahl der regelmäßig mit ständigen Arbeitnehmern besetzten Positionen entsch...

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