Rz. 13

Im Bereich der angeordneten Vor- und Nacherbschaft ist die Gestaltung der Testamentsvollstreckung immer in Abhängigkeit von dem Ziel zu sehen, zu dem die Vor- und Nacherbschaftsregelung letztwillig verfügt wurde. Eingebürgert hat sich die Unterscheidung in fünf Erscheinungsformen.[20]

[20] Vgl. Mayer/Bonefeld/J. Mayer, Testamentsvollstreckung, § 22 Rn 20 ff.

1. Testamentsvollstreckung mit Normalbefugnissen

 

Rz. 14

Es handelt sich hierbei um einen Unterfall der allgemeinen Abwicklungsvollstreckung. Der Testamentsvollstrecker nimmt den Nachlass in Besitz, begleicht die Schulden, erfüllt Vermächtnisse und Auflagen sowie die weiteren bestehenden Verpflichtungen und händigt sodann den Nachlass an den Vorerben gem. §§ 2203, 2209 BGB aus.

2. Allgemeine Testamentsvollstreckung (nur) für die Vorerbschaft

 

Rz. 15

Dogmatisch handelt es sich hier um eine Verwaltungsvollstreckung gemäß § 2209 BGB, zeitlich begrenzt für die Dauer der Vorerbschaft. Durch die angeordnete Testamentsvollstreckung wird der Vorerbe über das gesetzliche Maß der Vorerbschaft hinaus zusätzlich dadurch in seinen Rechten beschränkt, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht ihm, sondern dem Testamentsvollstrecker zusteht. Streitig ist, ob der Testamentsvollstrecker in seinem Verfügungsrecht nur nach § 2205 S. 3 BGB beschränkt ist,[21] oder ob für die Testamentsvollstreckung die gleichen Beschränkungen gelten, wie sie für den Vorerben gesetzlich angeordnet sind, beispielsweise § 2113 BGB.[22]

3. Testamentsvollstreckung (nur) für die Nacherbschaft

 

Rz. 16

Im Unterschied zur Testamentsvollstreckung für die Vorerbschaft beginnt hier die Testamentsvollstreckung erst mit dem Eintritt der Nacherbschaft. Damit wird der Nacherbe während der Dauer seiner Nacherbschaft in seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beschränkt.[23]

[23] Vgl. Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rn 656. Hierin besteht der wesentliche Unterschied zur Nacherbenvollstreckung.

4. Testamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft

 

Rz. 17

Hier ist der Testamentsvollstrecker nicht nur für den Vor- oder den Nacherben tätig, sondern für beide gemeinsam ernannt. Dies hat zur Folge, dass er ab dem Erbfall zunächst für die Dauer der Vorerbschaft das Verwaltungs- und Verfügungsrecht ausübt und anschließend für den Nacherben. Aufgrund seiner Amtsführung sowohl für den Vorerben als auch für den Nacherben ist der Testamentsvollstrecker hier während der Vorerbschaft unstreitig nur nach § 2205 S. 3 BGB in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt, nicht nach den weitergehenden Vorschriften der §§ 2113, 2114 BGB.[24]

Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Testamentsvollstrecker, während er als Vollstrecker für den Vorerben tätig ist, zugleich auch die Kontroll-, Sicherungs- und Mitwirkungsrechte des Nacherben ausüben kann. Da er in diesem Fall einer Interessenkollision ausgesetzt wäre, wird dies nach h.M. nur dann angenommen werden können, wenn sich ein so weitreichender Erblasserwille aus der testamentarischen Verfügung mit hinreichender Sicherheit entnehmen lässt.[25]

 

Rz. 18

Als kritisch bei der Testamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft erweist sich in der Praxis immer wieder die genaue Beachtung der gesetzlichen Verteilung von Nutzen und Lasten zwischen Vor- und Nacherben. Fehlende Sorgfalt führt hier schnell zu Regressansprüchen.

[24] Vgl. J. Mayer, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 22 Rn 24.
[25] Vgl. Mayer/Bonefeld/J. Mayer, Testamentsvollstreckung, § 22 Rn 24.

5. Nacherbentestamentsvollstreckung

 

Rz. 19

Der Nacherbenvollstrecker nach § 2222 BGB beschränkt nicht den Vorerben in seinen Rechten. Vielmehr nimmt der Testamentsvollstrecker hier die Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben im eigenen Namen wahr.[26] Aus diesem Grund hat der Testamentsvollstrecker kein eigenes Verwaltungs- und Verfügungsrecht kraft seines Amtes als Testamentsvollstrecker, sondern er kann nur die Rechte und Pflichten wahrnehmen, die dem Nacherben im Allgemeinen gegenüber dem Vorerben zustehen. Die Aufgaben und Befugnisse folgen aus den §§ 21162119, 21212123, 2127, 2129, 2115 BGB in Verbindung mit § 773 ZPO, die Pflichten aus den §§ 2120, 2123 BGB.[27]

 

Rz. 20

Die Nacherbentestamentsvollstreckung bietet sich immer dann an, wenn zu erwarten ist, dass die Nacherben während der Dauer der Vorerbschaft nicht oder nur eingeschränkt handlungsfähig sein werden. Insbesondere kommen hier in Betracht die Fälle des unbekannten oder noch gar nicht geborenen Nacherben oder eines minderjährigen Nacherben. Der Nacherbenvollstrecker unterliegt nämlich nicht der Kontrolle des Familien- bzw. Betreuungsgerichts,[28] denn er handelt aus eigenem Recht.[29] So entfällt auch das Erfordernis für noch nicht bekannte Nacherben einen Pfleger zu bestellen.[30]

[26] Grüneberg/Weidlich, § 2222 Rn 2.
[29] Vgl. J. Mayer, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 22 Rn 25.
[30] Vgl. J. Mayer, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 22 Rn 25.

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