a) Rechtsverletzung

 

Rz. 222

Das Revisionsverfahren bezweckt, finanzgerichtliche Urteile (nur) rechtlich zu überprüfen. Der BFH geht von dem Sachverhalt aus, den das Finanzgericht festgestellt hat. Er prüft nur, ob das Gericht das Recht des Bundes auf den Sachverhalt richtig angewendet hat. Die Revision kann also nur die Verletzung von Recht rügen. Ein Antrag, den Sachverhalt zu ermitteln, oder bloße Behauptungen, der Sachverhalt sei nicht richtig festgestellt, genügen nicht den Anforderungen an eine zulässige Revision. Der Antragsteller muss vielmehr die Verletzung von Rechtsnormen rügen. Mit der Revision angreifbar ist also z.B. die Verletzung der dem Finanzgericht auferlegten Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO). Allenfalls auf diesem Umweg kann über die Rüge der Verletzung der Sachverhaltsermittlungspflicht mittelbar der festgestellte Sachverhalt angegriffen werden.[333] Der Bundesfinanzhof ist nur Rechts-, nicht Tatsacheninstanz (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Erfolgsquote ist bei Revisionen deutlich höher als bei Nichtzulassungsbeschwerden.[334]

[333] Allenfalls kann, soweit der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten enthält, bei dem Finanzgericht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils ein Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes gestellt werden, § 108 FGO.
[334] Nach dem BFH-Jahresbericht waren aus Sicht des Steuerpflichtigen 2019 40 % der Revisionen erfolgreich.

b) Revisionsgründe

 

Rz. 223

Die Revision kann gem. § 118 Abs. 1 S. 1 FGO nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe.

c) Falsche Gesetzesanwendung

 

Rz. 224

Das Gesetz ist verletzt, wenn das Finanzgericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat, also bei falscher Gesetzesanwendung. Das Finanzgericht kann einen Interpretationsfehler oder einen Subsumtionsfehler begangen haben. Zu den Normen von Bundesrecht, auf deren Verletzung ein angefochtenes Urteil beruhen kann, gehören Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht, als innerstaatliches Recht geltende völkerrechtliche Verträge (insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen) sowie europäisches Gemeinschaftsrecht.[335] Kein revisibles Recht sind Verwaltungsvorschriften. Diese können aber unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung in Verbindung mit Art. 3 GG als "Quasi-Rechtsnormen"[336] gelten.

[335] Hinsichtlich europäischen Gemeinschaftsrechts besitzt der EuGH ein Auslegungsmonopol (Art. 267 AEUV). Der BFH hat bei Zweifeln über die Auslegung eine Entscheidung des EuGH einzuholen. Jedoch entscheidet der BFH selbst, ob die Rechtslage eindeutig oder zweifelhaft ist (BFH v. 1.12.2009, BFH/NV 2010, 766; BFH v. 9.6.2010, BFH/NV 2010, 1744); siehe auch Schwarz/Pahlke, FGO, § 118 Rn 6.
[336] Tipke/Kruse, § 118 FGO Rn 29.

d) Rechtssatzfehler; ausnahmsweise fehlerhafte Sachverhaltsermittlung

 

Rz. 225

Eine Rechtsverletzung kommt zum einen bei Fehlern im Rechtssatz in Betracht – wenn das Gericht also Rechtsnormen übersieht oder nicht anwendet, der Entscheidung falsche Rechtsnormen zugrunde legt, ihm Auslegungs- oder Interpretationsfehler unterlaufen oder unbestimmte Rechtsbegriffe falsch bestimmt. Zum anderen können Rechtsverletzungen begründet liegen in Fehlern im Sachverhalt: Das Finanzgericht hat den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 76 FGO) und dabei alle verfügbaren Beweismittel auszuschöpfen. Tatsachen- und Rechtsfeststellungen gehen ineinander über. Die Sachverhaltsermittlung des Finanzgerichtes ist rechtsfehlerhaft etwa dann, wenn das Gericht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht aufklärt, erhebliche Beweisanträge oder Beweismittel ablehnt, Beweise widersprüchlich, unter Verletzung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen würdigt oder allgemeine Begriffsbestimmungen unzutreffend verwendet.[337]

[337] Im Einzelfall ist die Abgrenzung zwischen Rechtsverletzung und Tatsachenfeststellung nicht unproblematisch, vgl. dazu Tipke/Kruse, § 118 FGO Rn 62 f.; Gräber/Ratschow, FGO, § 118 Rn 20 ff., dort auch zur Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen sowie von Denkgesetzen und Erfahrungssätzen.

e) Bindung an Feststellungen

 

Rz. 226

Bei allem ist der BFH gem. § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichtes gebunden. Er darf die Tatsachen nicht selbst feststellen, etwa indem er erstmals im Revisionsverfahren vorgetragene Tatsachen berücksichtigt.[338] Außerdem ist der BFH an Feststellungen des Finanzgerichts über Bestehen und Inhalt von Vorschriften des nicht revisiblen Rechts gebunden (§ 155 FGO i.V.m. § 560 ZPO).[339]

[338] Vgl. Gräber/Ratschow, FGO, § 118 Rn 36 ff.
[339] Die Bindung entfällt nur dann, wenn die Auslegung oder Anwendung des nicht reversiblen Landesrechts gegen übergeordnetes materielle Bundesrecht verstößt, insbes. gegen Verfassungsrecht (BFH v. 26.3.2002, BFH/NV 2002, 1213), siehe auch Schwarz/Pahlke, FGO, § 118 Rn 10.

f) Ursächlichkeit

 

Rz. 227

Gem. § 118 Abs. 1 S. 1 FGO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das Urteil auf der Rechtsverletzung "beruhe". Der Rechtsfehler muss kausal für die Entscheidung sein. Diese müsste ohne den Gesetzesverstoß anders ausgefallen sein. Bei Verfahrensmängeln reic...

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