Rz. 189

Die Finanzgerichtsordnung kennt ähnlich der Zivilprozessordnung die Institute der Erledigung der Hauptsache und der Rücknahme der Klage. Daneben besteht die Spezialität des § 68 FGO, der prozessualen Folgen bei einer Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes.

a) Erledigung der Hauptsache

 

Rz. 190

Gem. § 138 Abs. 2 FGO ist die Hauptsache insbesondere dann erledigt, wenn das Finanzamt dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgibt.[276] Erledigung tritt ein, wenn das Rechtsbehelfsbegehren des Klägers während des gerichtlichen Verfahrens durch ein außerprozessuales Ereignis ganz oder teilweise unzulässig oder unbegründet wird. Zwar könnte der Kläger in diesen Fällen seine Klage zurücknehmen. Doch dann müsste er gem. § 136 Abs. 2 FGO die Kosten tragen. Daher gibt § 138 FGO den Parteien die Möglichkeit, den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt zu erklären.

[276] Der andere Fall der Erledigung betrifft die Untätigkeitsklage, vgl. insoweit Gräber/Ratschow, FGO, § 138 Rn 65 ff., dort auch Beispiele für weitere, eher atypische Fälle der Erledigung; weitere Fälle bei Tipke/Kruse, § 138 FGO Rn 9 ff., dort auch zur Teilerledigung.

aa) Kostenentscheidung bei übereinstimmender Erledigungserklärung

 

Rz. 191

Wie im Zivilprozess entscheidet das Gericht bei übereinstimmender Erledigungserklärung nicht mehr über das Klagebegehren. Es entscheidet vielmehr nur noch gem. § 138 Abs. 1 FGO durch Beschluss über die Kosten. Bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen prüft das Gericht nicht, ob die Hauptsache tatsächlich erledigt ist oder ob die Klage zulässig gewesen ist. Es trifft nur die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen, d.h. in der Praxis nach dem wahrscheinlichen Ausgang des Verfahrens.[277]

[277] Vgl. Tipke/Kruse, § 138 FGO Rn 33, 70 ff.; Gräber/Ratschow, FGO, § 138 Rn 30 ff.

bb) Einseitige Erledigungserklärung des Klägers

 

Rz. 192

Soweit die beklagte Behörde mit der Erledigungserklärung des Klägers nicht übereinstimmt, ist die einseitige Erledigungserklärung im Falle eines erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit als Klageänderung auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache anzusehen.[278] In diesem Fall prüft das Gericht, ob die Hauptsache tatsächlich erledigt ist. Ist die Hauptsache nicht erledigt, weist das Gericht die Klage ab und legt dem Kläger gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten auf. Diese missliche Folge kann der Kläger vermeiden, wenn er den ursprünglichen Klageantrag als Hilfsantrag weiterverfolgt.[279] Gelangt das Gericht zur Ansicht, dass die Hauptsache tatsächlich erledigt ist, stellt es die Erledigung in einem Urteil fest.

[278] Gräber/Ratschow, FGO, § 138 Rn 90 ff.; BFH v. 18.5.1988, BStBl II 1988, 801, sieht in der Erledigungserklärung eine Einschränkung des ursprünglichen Begehrens auf Änderung des Steuerbescheides.
[279] Gräber/Ratschow, FGO, § 138 Rn 91; dort auch zum umgekehrten Fall, dass der Kläger in erster Linie den Hauptantrag weiterverfolgt und hilfsweise die Klage für erledigt erklärt.

cc) Erledigungserklärung des Beklagten

 

Rz. 193

Die einseitige Erledigungserklärung des Beklagten sieht die Rechtsprechung als eine Anregung an das Gericht, zu prüfen, ob die Hauptsache erledigt und die Klage als unzulässig abzuweisen sei. Ist die Hauptsache in dem Fall erledigt, weist das Gericht die Klage als unzulässig ab und legt gem. § 135 Abs. 1 FGO dem Kläger die Kosten auf.[280]

[280] BFH v. 12.7.1988, BFH/NV 1990, 106; BFH v. 5.3.1979, BStBl II 1979, 378; BFH v. 27.4.1982, BStBl II 1982, 407.

b) Klagerücknahme

 

Rz. 194

Vgl. zu Klagerücknahme und Gestaltungsempfehlung auch Brandt, AO-StB 2003, 61.

 

Rz. 195

Der Kläger kann seine Klage gem. § 72 FGO bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Er kann sie also noch zurücknehmen, nachdem er Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision eingelegt hat. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und nach einem Vorbescheid ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des Beklagten[281] möglich (§ 72 Abs. 1 S. 2 FGO). Bei Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kann der Kläger ohne Einwilligung zurücknehmen; in der Revisionsinstanz soll die Einwilligung ausnahmslos erforderlich sein.[282] Eine Teilrücknahme bedarf keiner Einwilligung.[283] Außergerichtliche Vereinbarungen über die Zurücknahme der Klage sollen möglich sein.[284] Die Klagerücknahme führt zur Beendigung des Verfahrens; ein bereits erstrittenes Urteil ist wirkungslos.

Gem. § 136 Abs. 2 FGO trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens.[285] Diese sind bei der Klagerücknahme nach dem GKG zwar niedriger als im Falle eines Urteils, weil sich die 4,0 Gebühren nach Nr. 6110 KV GKG auf 2,0 Gebühren reduzieren, Nr. 6111 Nr. 1 KV GKG.[286] Die Klagerücknahme begründet die gleichen Gerichtskosten wie die Erledigungserklärung, für die Nr. 6111 Nr. 2 KV GKG i.V.m. § 138 Abs. 1 FGO gilt. Jedoch kann bei übereinstimmender Erledigungserklärung ein Vergleich über die Gerichtskosten erfolgen, §§ 2 Abs. 5 S. 2, 29 Nr. 2 GKG.[287]

[281] Nicht sonstiger Beteiligter Gräber/Herbert, FGO, § 72 Rn 22.
[282] Vgl. Gräber/Herbert, FGO, § 72 Rn 23 ff.; Tipke/Kruse, § 72 FGO Rn 21.
[283] Gräber/Herbert, FGO, § 72 Rn 22 (Einsc...

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